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Channel: Blog – Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus
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Filmaufnahmen von der Beisetzung des badischen Kultusministers Otto Wacker 1940

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Wacker-Straßburger Monatshefte 6 1942 H2_bearb Kopie

Otto Wacker, Büste von Prof. Otto Schließler, Karlsruhe, in: Straßburger Monatshefte. Zeitschrift für das deutsche Volkstum am Oberrhein 6 1942 (2), S. 77.

Im Zuge der Materialsammlung für den Blogartikel „Die Trauerfeierlichkeiten für den badischen Kultusminister Otto Wacker 1940“ erging eine Anfrage an das Stadtarchiv Offenburg, ob dort Informationen über den Verbleib einer Bildnisbüste Otto Wackers vorliegen, die nach dem Tod des Kultusministers von dem Karlsruher Bildhauer Otto Schließler in vier Ausfertigungen erstellt wurde. Ein Exemplar erhielt die Stadt Offenburg, die Wacker bereits seit 1933 zu ihren Ehrenbürgern zählte. Die Anfrage erbrachte eine Fehlanzeige: Wo die Bildnisbüste bis 1945 aufgestellt worden war und wo das unerwünscht gewordene Repräsentationsstück nach dem Ende des „Dritten Reiches“ verblieben ist, lässt sich bislang nicht klären. Fruchtlos war die Initiative gleichwohl nicht, denn der Offenburger Stadtarchivar Dr. Wolfgang Gall konnte ein anderes Fundstück zur Verfügung stellen, das von den Trauerfeierlichkeiten für Wacker überliefert ist: eine knapp vierminütige Filmsequenz von der Überführung des Leichnams des badischen Kultusministers nach Offenburg am 16. Februar 1940 und seiner Beisetzung auf dem Offenburger Friedhof am 17. Februar.

Der Film stammt von dem Offenburger Fotografen Paul Stober, der in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs einige öffentliche Großereignisse in der Stadt filmisch festgehalten hat. Während von einigen seiner Aufnahmen technisch hochwertiges Filmmaterial erhalten ist, wie zum Beispiel von dem Einzug der Reichswehr in die frühere und nun wieder neue Garnisonsstadt im Jahr 1936, kann der vier Jahre später entstandenen Beisetzungssequenz allenfalls eine mindere Qualität zugesprochen werden. Der Grund hierfür dürfte in den schlechten Witterungsverhältnissen an jenem trüben Wintertag zu suchen sein. Auch wenn das Material somit heutigen Sehgewohnheiten kaum zuträglich erscheinen mag, hat es doch einen beträchtlichen Quellenwert: zum einen, weil es generell nur sehr wenige bewegte Bilder gibt, die illustrieren, wie sich die Protagonisten des diktatorischen Systems im Südwesten in der Öffentlichkeit präsentierten, und zum anderen, weil sich die Spezifika der nationalsozialistischen Totenehrung – Militarisierung, überbordende Parteisymbolik und Entchristlichung – trotz Unschärfen und Kontrastarmut des Materials deutlich erkennen lassen.

Über den Ablauf der Beisetzung, der sich aus der Sequenz selbst nicht im Detail erschließen lässt, unterrichtet die ausführliche Berichterstattung des NSDAP-Parteiblatts „Der Führer“: Wackers Leichnam wurde unmittelbar im Anschluss an die Trauerfeier, die am 16. Februar im Karlsruher Landtag als ein Staatsakt abgehalten worden war, in Begleitung einer Delegation des Kultusministeriums und eines Ehrengeleits der SS nach Offenburg überführt und in der Leichenhalle des Friedhofs aufgebahrt. Dem mit der Staatsflagge bedeckten Sarg waren „Degen, Helm und Mütze der Wehrmacht und SS“ sowie Wackers Orden vorangetragen worden. „Nach dem Aufziehen der Ehrenwache nahm die Bevölkerung Gelegenheit, durch einen stummen Gruß am Sarge dem bewährten Kämpfer des Führers die letzte Ehre zu erweisen“, teilte das Parteiblatt in seiner Ausgabe vom 17. Februar mit und mobilisierte die Offenburger zugleich zur massenhaften Teilnahme an der Beisetzung: Es werde erwartet, „daß die sich sicher zahlreich einfindenden Volksgenossen und Volksgenossinnen aus Offenburg und Umgebung bereits um 10.45 Uhr ihre von den Ordnern anzuweisenden Plätze eingenommen haben und so eine Störung der Feier vermeiden“.

Pünktlich um 11 Uhr, so berichtete „Der Führer“ einen Tag später über die Feier, betrat Gauleiter Wagner dann mit der Witwe Wackers den Friedhof. Begleitet wurden sie von den drei Ministerkollegen Wackers, hohen Repräsentanten der SA und SS, dem „Reichsstudentenführer“ Gustav Adolf Scheel und dem Offenburger NSDAP-Kreisleiter Karl Rombach. Den von Darbietungen eines Musikzugs der Waffen-SS umrahmten Mittelpunkt der Beisetzungsfeier bildete eine Rede Wagners, in der er die Verdienste Wackers um die Partei ausführlich würdigte. Der Reichsstatthalter und Gauleiter machte auch den Anfang bei den Kranzniederlegungen mit einem „riesigen Lorbeerkranz“; dann kamen die „anwesenden führenden Männer von Partei, Staat und Wehrmacht unter den Klängen des SS-Treueliedes. Unter den vielen Kränzen, die den Sarg bedeckten, befand sich auch ein Kranz des Generalfeldmarschalls Hermann Göring, der damit den verdienten Vorkämpfer der Bewegung im Grenzgau Baden ehrte“. Den Kranzniederlegungen folgte die Beisetzung Wackers: „Unter Vorantritt der Standarten der SA und SS wurde der Sarg von Soldaten der Waffen-SS zu dem in der Nähe befindlichen Familiengrab getragen, wo die Familienangehörigen mit dem Gauleiter und den Mitgliedern der Badischen Regierung zum letzten Mal von Dr. Otto Wacker Abschied nahmen. Drei Ehrensalven hallten über den Platz, dann sank der Sarg unter den Klängen des Fridericus Rex-Marsches, des Lieblingsmarsches des Verstorbenen, langsam in die Tiefe. Nach Beendigung der Feier marschierten die Gliederungen der Bewegung grüßend am offenen Grab vorüber“.

 

Quelle:

Stadtarchiv Offenburg


Der badische Aktenknoten – im Elsass

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Badischer Aktenknoten in den Akten der Zivilverwaltung im Elsass (ADBR)

„Jetzt google ich schon über eine Stunde und kann nirgends im I[nter]net eine Anleitung finden, wie man diesen doofen Badischen Knoten macht…,“ kann man 2010 im Forum von FoReNo, einem Internetportal für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte sowie andere Angehörige juristischer Berufe lesen. Die Akten, welche die hier klagende Kanzleiangestellte aus Heidelberg erhalten hatte, waren mit einem eigenartigen Knoten zugebunden gewesen, den sie aber zum Kopieren der Akten hatte öffnen müssen. Und jetzt bekam sie ihn nicht mehr zu. Kein Beitrag im Thread des Forums kann ihr helfen. Die Kommentierenden beschweren sich vor allem über die „Zumutung“ der ungewöhnlichen Heftung aus dem „Badner Land“ und über deren Antiquiertheit.

Tatsächlich ist diese Art der Aktenheftung schon über zwei Jahrhunderte alt. Sie stammt aus der napoleonischen Zeit, in der ein hoher Staatsdiener des Großherzogtums Baden, Geheimrat Friedrich Brauer, 1803 die Archivierung der Staatsverwaltung vereinheitlichen wollte. Wie Helmut Rothermel kürzlich in der Badischen Zeitung schrieb, ging es nicht nur um eine formale Vereinheitlichung, der Anspruch des Geheimrats war ein weitaus höherer: Die Normierung der Aktensortierung sollte auch „zum Instrument systematischer Verwaltungsarbeit und herrschaftlicher Durchdringung der Gesellschaft“ werden.

Vor ein paar Tagen bin ich ebenfalls über das „Herrschaftsinstrument“ badischer Knoten gestolpert – aber nicht in Baden, sondern im Elsass. Im Departementalarchiv Bas-Rhin (Archives Départementales du Bas-Rhin, ADBR) in Straßburg lagert ein Großteil der Akten der deutschen Zivilverwaltung im Elsass und des Reichsstatthalters für den Gau Baden-Elsass, der zu einer verwaltungstechnischen Einheit Gau Oberrhein verschmelzen sollte, wozu es aber nicht mehr kam. Und diese Akten sind allesamt mit dem badischen Knoten geheftet. Ich habe mir ein paar Akten aus der Zeit des Reichslands Elsass-Lothringen, das heißt aus der Epoche des Kaiserreichs (1871-1918), als das Elsass auch unter deutscher Verwaltung stand, bringen lassen, um zu sehen, ob zu dieser Zeit auch so geknotet wurden. Aber nein, im Reichsland wurde „preußisch“ gebunden: Die losen Blätter der Staatsverwaltung wurden zur Archivierung in Bündeln zusammengenäht und dann nochmals in einer großen Akte zusammengeführt.

Bindung der Akten in der Zeit des Reichslands Elsass (ADBR)

Das Schnüren des badischen Aktenknotens ist wahrlich kein Zauberstück: Ich habe es mir von den Archivaren des Universitätsarchivs und des Staatsarchivs in Freiburg zeigen lassen. Vielleicht kann dieser Blogeintrag ja den verzweifelten Kanzleiangestellten außerhalb Badens in Zukunft eine kleine Hilfe sein: Zunächst werden mit einem Aktenlocher zwei kleine, etwa  vier Zentimeter auseinander liegende Löcher am linken oberen Rand der Akte gestanzt. Dann wird eine kleine rechteckige Verstärkung aus Karton auf die Lochung gelegt. Nun fädelt man mit Hilfe des metallenen Aktenstechers eine Schnur durch die Löcher. Schließlich wird geknotet: eine einfache Schleife – ähnlich wie beim Schnüren der Schnürsenkel –, aber nur eine der zwei Schlaufen bleibt stehen. Die beiden Schnurenden werden zusammengezwirbelt und in die Mitte des Aktenstapels gesteckt.

Der badische Knoten im Archiv in Straßburg ist ein äußerst greifbares Zeugnis dafür, dass die Besetzung des Elsass während des Zweiten Weltkriegs eine fast ausschließlich badische Angelegenheit war. Das Elsass wurde aus Baden regiert – vom Gauleiter, der gleichzeitig auch Chef der Zivilverwaltung war, aber auch von der badischen Landesregierung, denn diese stellte das Personal. Bereits im ersten Jahr der Besetzung wurden über 4500 Beamte und Angestellte vornehmlich aus der badischen Landesregierung ins Elsass abgeordnet. Diese brachten wiederum ihren Verwaltungsstil und ihre Verwaltungstechniken, so auch den badischen Aktenknoten, mit. Wie ausschlaggebend diese regionale Prägung des Verwaltens  für die Wahrnehmungen und Erfahrungen derjenigen, die im Elsass verwaltet wurden, war – verglichen mit dem Einfluss, den die zwei verschiedenen politischen Systeme des Kaiserreichs und des „Dritten Reichs“ auf die Bevölkerung hatten –,  ist auch eine Frage, die das Forschungsprojekt beantworten möchte.

 

Quellen:

Helmut Rothermel, “In Baden wird geknotet. Die ‚Badische Aktenheftung‘ – Badens origineller Beitrag zur Technik der Archivierung,” Badische Zeitung, 12.07.2013.
Bericht des Einsatzkommandos der SiPo in Straßburg über statistische Erfassungen vom 15.11.1941. Zit. in Kettenacker, Lothar: Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsaß, Stuttgart 1973, 325. Vgl. auch „Tätigkeits- und Leistungsbericht des Personalamtes beim Chef der Zivilverwaltung im Elsass für die Zeit vom 15.7.1940 bis 1.6.1941.“ ADBR, 125 AL/ 345.

Beamtenbildung im Sinne des Nationalsozialismus: Die Verwaltungsakademien

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Beamtenbildung im „Dritten Reich“ - Das Netz der Verwaltungsakademien und ihrer Vortragsstätten im Jahre 1936.

Beamtenbildung im „Dritten Reich“ – Das Netz der Verwaltungsakademien und ihrer Vortragsstätten im Jahre 1936.

In der Frage nach Leitbildern des Beamtentums im Nationalsozialismus hatte die nationalsozialistische Regimeführung nur sehr vage Vorstellungen: Der Ablehnung des „Parteibuchbeamtentums“ der Weimarer Republik und der argwöhnischen Abneigung gegenüber allem Bürokratischen, wie sie beispielsweise Hitler deutlich formulierte, steht kein klar umrissener alternativer Leitgedanke zum Wesen der Beamtenschaft gegenüber. Leitvorstellungen der NS-Akteure für den „nationalsozialistischen Beamten“ lassen sich daher in der Regel nur indirekt erschließen. Ganz besonders die Quellen im Kontext der Schulungs- und Fortbildungseinrichtungen für die Beamten des Reiches liefern Hinweise darauf, wie der Beamte im nationalsozialistischen Staat zu sein hatte: Die Verwaltungsakademien, organisiert im „Reichsverband Deutscher Verwaltungs-Akademien“, waren zentrale Fortbildungseinrichtungen für die Beamten des gehobenen mittleren Dienstes. Deswegen ist die Frage relevant, was die Arbeit jener Akademien und des Reichsverbandes auszeichnete und was sich als „spezifisch nationalsozialistisch“ beschreiben lässt.

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Die „Systematischen Studienlehrgänge“ umfassten an erster Stelle „72 Stunden weltanschaulich-nationalpolitische Vorträge“.

1936 publizierte der Reichsverband eine Informations- und Werbebroschüre, die die Beamten des Reiches über die Weiterbildung in den Verwaltungsakademien informieren und bei ihnen dafür werben sollte. Die Bedeutung des Beamtentums für den NS-Staat wurde darin in propagandistischem Duktus formuliert: „Dem Beamten sind bei der Errichtung des Dritten Reiches gewaltige Aufgaben gestellt. Der Beamte steht darin vor dem Richterstuhl der Geschichte.“ Der Besuch der Verwaltungsakademien, so hieß es weiter, ermögliche dem Beamten „die nationalpolitische Erziehung und die berufliche Weiterbildung“, um einen „Standpunkt höherer Warte“ zu erreichen. Die Beamten sollten neben der fachlichen Weiterbildung nun auch „politisch-weltanschaulich“ im Sinne der NSDAP geschult und damit auf die neuen Aufgaben des Beamten im „Dritten Reich“ vorbereitet werden. Die Teilnahme an Weiterbildungen war offiziell freiwillig – aus zahlreichen internen Erlassen und Veröffentlichungen geht indes hervor, dass den Beamten der Besuch der Akademien nachdrücklich nahegelegt wurde, deren Zeugnisse zu den Personalakten gelegt und bei Stellenbesetzungen „begünstigend“ hinzugezogen werden sollten. In bis zu achtsemestrigen Abendveranstaltungen sollte es den „ordentlichen Hörern“ möglich sein, sich in systematischen Lehrgängen (432 Stunden), Fachkursen (24 Stunden) und Einzelvorträgen bzw. Vortragsreihen fortzubilden und im Anschluss eine Prüfung abzulegen. Auch Gasthörer waren erwünscht, die einzelne Fortbildungsmaßnahmen besuchen konnten.

Im „Reichsverband Deutscher Verwaltungs-Akademien“ waren zu Beginn der NS-Herrschaft 24 Verwaltungsakademien und zugehörige Außenstellen zusammengeschlossen, die zur Fortbildung der Beamten der mittleren Laufbahn bereits zwischen 1919 und 1933 geschaffen worden waren. Mit der Machtübernahme stellte sich der Vorstand des Akademie-Verbandes dem Hitler-Regime ohne jeglichen Widerstand zur Verfügung. Die Nationalsozialisten – allen voran der Leiter der Reichskanzlei unter Hitler, Hans-Heinrich Lammers – kündigten noch im Jahr 1933 an, die zuvor demokratische Satzung außer Kraft zu setzen und das „Führerprinzip“ einzuführen. Die im März 1935 erlassene Satzung setzte diese Ankündigung konsequent um, indem der von Adolf Hitler ernannte „Führer“ des Reichsverbandes nahezu die gesamte Entscheidungsgewalt über die Organisation des Reichsverbandes und der Akademien in sich vereinigte. Der von Hitler geschätzte Jurist Lammers, Leiter der Reichskanzlei von 1933 bis 1945, ab 1937 im Range eines Reichsministers, verstand sich selbst als „höchster Beamter des Reiches“. Er gehörte zu den wenigen politischen Akteuren mit unmittelbarem Zugang zu Hitler und besaß daher großen Einfluss. Lammers verstand es, die Akademien und den Reichsverband zügig in den Einflussbereich der Partei zu bringen. Im Dezember 1933 übernahm er mit Genehmigung Hitlers die Leitung des Reichsverbandes und war später als Vorträger in verschiedenen Akademien und als Vorsitzender des „Führerrats des Reichsverbandes Deutscher Verwaltungs-Akademien“ tätig. Die im Mai 1935 von Lammers erlassenen „Richtlinien für Organisation und Studium an den deutschen Verwaltungs-Akademien“ formulieren folgenden Anspruch: „Die Verwaltungs-Akademie […] will […] zu verantwortungsbewussten, charakterfesten und zu selbstständiger Leistung fähigen Persönlichkeiten erziehen, die sich b e w u ß t in den Dienst der deutschen Volksgemeinschaft und des nationalsozialistischen Staates stellen.“
Aus den Richtlinien geht deutlich hervor, die Beamten im NS-Staat mehr als nur fachlich schulen zu wollen: Die dortigen Lehrgänge sollten zu „charakterfesten“ Persönlichkeiten erziehen und ein offenkundig ideologiekonformes Dienstbewusstsein erschaffen. Die Akademien waren für die Machthaber des NS-Staates zentrale Institutionen: Die Fortbildung und weltanschauliche Ausbildung der Beamten im Sinne des Nationalsozialismus war im Fokus der NS-Elite – denn ohne die verlässliche Mitarbeit der Beamten war eine Diktatur nicht ohne Weiteres zu verwirklichen.

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Die Werbebroschüre „Die deutschen Verwaltungs-Akademien“, herausgegeben vom Reichsverband Deutscher Verwaltungs-Akademien, präsentiert 1936 eine rasante Steigerung der Hörerzahlen.

Zur Sicherstellung einer „erfolgreichen“ politischen und fachlichen Schulung wurden „Gewährsmänner“ aus Partei, Staat und Wirtschaft, aber auch Experten aus speziellen Fachbereichen der Beamtenschaft, als Dozenten der Akademien eingesetzt. Die Leitung übernahmen parteinahe Funktionäre: In der Württembergischen Verwaltungsakademie Stuttgart fungierte beispielsweise Staatssekretär Karl Waldmann als Leiter, die Akademie Baden in Karlsruhe stand unter der Aufsicht von Dr. Eugen Fehrle, seit 1936 Professor für „Volkskunde“ in Heidelberg und 1933-36 Ministerialrat im badischen Kultministerium. Die größte Akademie in Berlin leitete Reichsbeamtenführer Hermann Neef persönlich. Die Bedeutung der Akademien für die nationalsozialistischen Machthaber zeigt sich auch in dem enormen Ausbau der Fortbildungsanstalten. Bis 1944 wuchs das Akademienetz auf 41 Hauptanstalten mit 59 Außenstellen an. Auch außerhalb des sogenannten „Altreichsgebietes“ entstanden Akademien und Außenstellen, so etwa in Prag, Posen, Karlsbad oder Straßburg.

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Ist „Bildungsgut“ messbar? Eine fragwürdig einfache Grafik wirbt für die Fortbildung in den Verwaltungsakademien. Über die Inhalte der Beamtenbildung im Sinne des Nationalsozialismus wird dabei keine Aussage getroffen.

Quellen wie Werbebroschüren, Erlasse, Satzungen, Vorlesungsverzeichnisse oder Presseartikel und andere Publikationen bieten nur eine einseitige, normative Perspektive der von den Machthabern gewünschten Verwaltungspraxis. Sichtbar wird darin lediglich das „offizielle“ Selbstverständnis einer Fortbildungsanstalt, die sich erwartungsgemäß NS-konform und propagandistisch aufgeladen präsentiert. Aus quellenkritischer Perspektive muss das schon deshalb hinterfragt werden, weil es die Intention der NSDAP-Akteure war, diese Akademien als Erfolgsmodell darzustellen. Letztlich sagen diese Quellen viel darüber, was in den Akademien geschehen sollte, aber geben kaum Auskunft, was tatsächlich dort stattfand.

Unerlässlich ist daher auch eine andere Perspektive: Die der Teilnehmer und Zeitzeugen. Diese spiegelt sich ganz besonders in Quellen von Kursteilnehmenden dieser Einrichtungen in Baden und Württemberg, wie beispielsweise in Berichten, Erinnerungen, Zeugnissen, Unterrichtsmaterial oder gar im Briefwechsel zwischen Teilnehmern, womöglich auch Fotos von Veranstaltungen und Jahrgangstreffen. Sollten Sie solches Material besitzen, so können Sie dem Forschungsprojekt damit einen erheblichen Gewinn ermöglichen – machen Sie mit!

 

Quelle:

Reichsverband Deutscher Verwaltungs-Akademien (Hrsg.): „Die deutschen Verwaltungs-Akademien“, Berlin 1936.

„ein gewisser Stock von ehrlichen, treuen und gewissenhaften Beamten“ – ein Rückblick des Freiburger Historikers Gerhard Ritter auf die Wissenschaftspolitik in Baden vom Jahresende 1945

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Gerhard Ritter (1944), Steinzeichnung von Erwin Heinrich. Mit freundlicher Genehmigung des Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste

Gerhard Ritter (1944), Steinzeichnung von Erwin Heinrich. Mit freundlicher Genehmigung des Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste

Das Bild einer weitgehend unpolitischen Landesverwaltung, die während der nationalsozialistischen Herrschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten sachorientierte Arbeit geleistet habe, wurde in den ersten Nachkriegsjahren vorwiegend von den Betroffenen selbst gezeichnet. Nicht nur nachgeordnete Mitarbeiter der Ministerialbürokratie, sondern auch hohe Beamte betonten in den Spruchkammerverfahren, denen sie sich nach 1945 ausgesetzt sahen, immer wieder die Sachkompetenz als handlungsleitendes Moment ihrer Verwaltungstätigkeit im „Dritten Reich“. Ein prägnantes Beispiel sind die 1952/53 niedergeschriebenen Lebenserinnerungen des Ministerialdirektors im badischen Innenministerium Friedrich Müller-Trefzer, in denen der antinationalsozialistische Korpsgeist des badischen Beamtentums eines der Leitmotive bildet. Gegen den politischen Missbrauch der Verwaltung für die Zwecke des Nationalsozialismus, der von außen – von Berlin oder von den regionalen Parteiorganisationen der NSDAP – ausgegangen sei, habe man nach Kräften Widerstand zu leisten versucht und damit auch einigen Erfolg gehabt, da die fanatischen Parteimänner in der Beamtenschaft nur eine Minderheit dargestellt hätten. Dieses Bild, ob es nun der Selbstwahrnehmung entsprach oder eine gezielt zu Rechtfertigungszwecken entwickelte Legende war, konnten die Betroffenen in den Spruchkammerverfahren vielfach durch günstige Leumundszeugnisse untermauern. Dies galt selbst für die höchsten Verantwortungsträger der Landesverwaltung im „Dritten Reich“ wie den kommissarischen Leiter des badischen Kultusministeriums Paul Schmitthenner, zu dessen Gunsten im Spruchkammerverfahren 1950 neben anderen auch der badische Staatspräsident Leo Wohleb aussagte.

Da die Spruchkammeröffentlichkeiten, in denen das Bild der unpolitischen Landesverwaltungen immer wieder gezeichnet wurde, recht eng begrenzt waren, kommt den frühen publizistischen Arbeiten, die in eine ähnliche Richtung zielten, eine besondere Bedeutung für die Popularisierung dieses Bildes zu. In diesem Zusammenhang verdient ein Aufsatz Beachtung, den der Freiburger Historiker Gerhard Ritter am Jahresende 1945 in der ersten Ausgabe der von ehemaligen Redakteuren der 1943 verbotenen „Frankfurter Zeitung“ neu gegründeten Zeitschrift „Die Gegenwart“ veröffentlichte. In dem Beitrag „Der deutsche Professor im ‚Dritten Reich‘“ schildert Ritter die Umstände, unter denen ein regimekritischer und zuletzt konsequent oppositioneller Hochschullehrer und Wissenschaftler, als der er sich selbst sah, im „Dritten Reich“ seiner Arbeit nachgehen konnte und musste. Trotz des programmatischen Aufsatztitels spricht Ritter überwiegend von sich selbst und den Freiburger Verhältnissen, die er bei allem politischen Druck, der auf der Universität lastete, rückschauend für ein akademisches Leben doch nicht als völlig unzuträglich erachtete. Als Aufhänger des Aufsatzes dienen ihm Gespräche, die er im Jahr 1943 während einer Türkeireise mit deutschen Emigranten geführt hatte, die ihn verwundert gefragt hätten, „wie es nur möglich sei, so unabhängige Meinungen über historisch-politische Fragen, wie ich sie in meinen Schriften und Vorträgen zeige, im Hitlerreich zu äußern, ohne sich dadurch eine politische Verfolgung zuzuziehen“.

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Paul Schmitthenner | UAHD BA Pos I 01267

In seinem Aufsatz, der vor allem deshalb Aufmerksamkeit erregte, weil Ritter dort seine Zugehörigkeit zu den Verschwörerkreisen des 20. Juli 1944 und seine Inhaftierung nach dem Scheitern des Hitlerattentats publik macht, schildert er zunächst einige Vorfälle, die ihm seit 1933 die akademische Lehre und das wissenschaftliche Publizieren erschwert, aber nicht unmöglich gemacht hatten. Dann nutzt er diese Einzelbeispiele zur Erklärung der „Eigenart des nazistischen Parteiapparates, der zur ‚totalen Erfassung‘ des deutschen Geisteslebens bestimmt“ gewesen sei, diese Aufgabe aber bei weitem nicht bewältigen konnte: „Er war ein Riesenapparat, aber darum von großer Schwerfälligkeit. Seine inneren Hemmungen waren so groß, daß er fast ebenso oft versagte wie funktionierte. Bis zu einem gewissen Grade war es einfach Glückssache, ob man in das zermalmende Räderwerk seines Getriebes geriet oder nicht“. Von der Prämisse ausgehend, dass die „eingesetzten Organe … vielfach zu plump“ waren, „um Erscheinungen des höheren Geisteslebens überhaupt richtig zu erfassen“, nimmt Ritter in dem Aufsatz anschließend einige dieser Organe näher in den Blick, darunter das badische Kultusministerium, das von einem „charakterlosen ehrgeizigen Mann geführt“ wurde, „einem Naziüberläufer von 1933, der uns keinerlei Deckung bot“. Die Ehre der Namensnennung machte Ritter Paul Schmitthenner, obwohl oder vielleicht auch weil er ein Fachkollege war, nicht. Immerhin, so heißt es weiter, „hatte er in seinem Ministerium eine Reihe von tüchtigen und wohlgesinnten Referenten, zum Teil noch aus der Zeit vor 1933 stammend, die sich redlich bemühten, das geistige Niveau der Hochschule gegen die politische Korruption zu verteidigen“. Ritter meint, diesen Befund sogar für die Hochschulreferenten „in den meisten deutschen Ländern“ verallgemeinern zu können, und spricht ihnen dankbare Anerkennung  ihrer Verdienste „um die Erhaltung unserer deutschen Wissenschaft“ aus. „Durch ihre eigene wissenschaftliche Erziehung mit tiefer Hochachtung vor den großen Traditionen des deutschen Universitätslebens erfüllt, haben diese Bürokraten in … Kleinarbeit immer neue Dämme gegen die Sintflut des Nazismus aufgerichtet – … immer wieder darauf bedacht, den unvermeidlichen Schaden nicht zu groß werden zu lassen“.

Ritter nutzt seinen Befund dann zu einer allgemeinen Analyse des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. Der „scheinbar so straffe, geschlossene Bau des Nazireiches wies einen tiefen Riß auf, der die politische Exekutive manchmal lähmte oder doch ihr Handeln verzögerte: den Riß zwischen staatlichen Behörden und Parteistellen. In der staatlichen Ämterverwaltung war immer noch, trotz aller politischen ‚Reinigungen‘ des Beamtenkörpers, ein Rest von nüchterner Sachkunde und fester Tradition erhalten geblieben, ein gewisser Stock von ehrlichen, treuen, gewissenhaften Beamten, die sich sträubten, politischer Willkür zu dienen, und die man aus den Reihen der Parteifanatiker nicht ohne weiteres ersetzen konnte, weil deren Sachwissen allzu kümmerlich war“. Welche Verbreitung Ritters Aufsatz vom Jahresende 1945 gefunden hat, ist kaum einzuschätzen. Dass er bei den in der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigten Beamten unter seinen Lesern auf große Zustimmung gestoßen sein dürfte, ist aber anzunehmen; ebenso dass sich manch einer von ihnen durch die Selbstzuschreibung zu der Kategorie der Ehrlichen, Treuen und Gewissenhaften für die bevorstehende persönliche Rechenschaftslegung vor der Spruchkammer gerüstet haben dürfte.

 

Quelle:

Die Gegenwart, 24. Dezember 1945.

„Das Ministerium ist gar nicht so leicht zu fassen“ – Interview mit Dr. Ulrike Schulz und Dr. Martin Münzel, Teil 1

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schulzmuenzel_blogIm Rahmen des Workshops „Bausteine einer Verwaltungsgeschichte des Nationalsozialismus im Reich und in den Ländern“, der am 16. April 2015 in Heidelberg stattfand, führte Projektmitarbeiter Moritz Hoffmann ein Interview mit Dr. Ulrike Schulz und Dr. Martin Münzel. Als Wissenschaftliche MitarbeiterInnen der „Unabhängigen Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Reichsarbeitsministeriums in der Zeit des Nationalsozialismus“ stellten Sie ihr Forschungsvorhaben sowie erste Zwischenergebnisse vor, gaben Einblick in ihr methodisches Konzept und diskutierten mögliche Berührungspunkte zur NS-Geschichte der Landesministerien.

Moritz Hoffmann: Können Sie uns knapp skizzieren, worum es im Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der Geschichte des Reichsarbeitsministeriums genau geht? Welche Dimensionen hat die Erforschung der Geschichte dieser Organisation?

Dr. Ulrike Schulz: Das Reichsarbeitsministerium war eine der obersten Reichsbehörden, und wir haben als Unabhängige Historikerkommission den Auftrag, dieses Ministerium zu erforschen – vor allem, aber nicht nur, seine NS-Geschichte. Wir fangen dabei mit der Gründung des Ministeriums 1919 an, hören aber auch 1945 nicht auf, sondern werden die personellen Kontinuitäten bis 1960 bearbeiten.
Das Ministerium ist gar nicht so leicht zu fassen, im Grunde genommen beschreibt „Reichsarbeitsministerium“ auch nur die halbe Wahrheit, es umfasste auch damals schon die zwei großen Blöcke Arbeit und Soziales, es gibt also sehr große und höchst ausdifferenzierte Arbeitsgebiete, die dort bearbeitet wurden, und eine Mehrheit davon erst seit 1919 als staatliche Hoheitsaufgabe. Das macht es für uns nicht ganz einfach: Für die NS-Aufarbeitung der Ministeriumsgeschichte besonders im Fokus stehen natürlich die Arbeitsverwaltung und alles, was damit zusammenhängt, aber auch die besetzten Gebiete, die Expansion, die Fremd- und Zwangsarbeiterinnen und –arbeiter im Reich und anderswo. Wie das Ministerium also in Gewaltverbrechen verstrickt ist, ist sicherlich einer der Punkte, die zu erforschen die Öffentlichkeit ebenso von uns erwartet wie die Verstrickung von Beamten und Mitarbeitern in den Nationalsozialismus. Das tun wir, aber um sich darüber klar zu werden was für eine Prägung das Ministerium hat, muss man sich die einzelnen Arbeitsbereiche anschauen, und da wird es sehr divers. So übernimmt das Reichsarbeitsministerium den alten und tradierten Strang der Sozialversicherung mit allen Paketen, also der Unfall-, Renten-, Invaliden- und Krankenversicherung, zudem die Frage der staatlichen Fürsorge, die auf Reichsebene vor allem die Kriegsopfer nach 1918 betrifft. Zudem übernimmt das Reichsarbeitsministerium Teile des Gesundheitswesens, vor allem der Kassenverwaltung, ein sehr großer Bereich ist ebenfalls das Wohnungs- und Siedlungswesen, was dort auch erstmals auf Reichsebene bearbeitet wird und nach 1918 ein großes Problem darstellt, das auch über den gesamten Forschungszeitraum bestehen bleibt. Nicht zuletzt kommt in der Arbeitsverwaltung auch die Arbeitslosenversicherung hinzu, die in der Weimarer Republik erst entsteht und vom Reichsarbeitsministerium federführend organisiert und gesetzgeberisch vorbereitet. Hierzu gehört auch die Reichsanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung und als besonders wichtiger Bereich die Arbeitsmarktpolitik. Das ist nicht so knapp zu skizzieren, weil, so glaube ich, wenig bekannt ist, dass es im Grunde ein „Superministerium“ ist hinter dessen Namen sich so viel verbirgt. Es wäre aber auch nicht richtig, sich nur auf diesen Arbeitsbereich des Ministeriums zu konzentrieren, weil viele andere Bereiche nicht minder entscheidend und großflächig sind.

Dr. Martin Münzel | © Noel Tovia Matoff

Dr. Martin Münzel: Ergänzend wäre noch zu sagen, dass wir als Querschnittsthema die personellen Strukturen im Ministerium sehr genau untersuchen, und zwar von 1919 bis in die Bundesrepublik hinein, und das in einer Intensität und Dimension, in der es bislang noch für kein Ministerium gemacht worden ist. Das ist zumindest die Grundlage für alle unsere Teilprojekte. Geleitet wird das Forschungsvorhaben von einer international besetzten Historikerkommission, der sechs Professorinnen und Professoren mit dem Sprecher Prof. Alexander Nützenadel von der Humboldt-Universität zu Berlin angehören. Hinzu kommen mit Ulrike Schulz und mir zwei wissenschaftliche Mitarbeiter sowie vier Doktorandinnen und Doktoranden, die einzelne Themen vertiefen und dazu in enger Gruppenabstimmung ihre Dissertation schreiben. Veröffentlicht werden diese Erkenntnisse dann in einer Publikationsreihe, die Anfang 2017 mit einem Syntheseband eröffnet wird, hinzu kommen begleitende Vorträge, kleinere Veranstaltungen und drei große Tagungen: Die erste zu „Kontinuitäten und Diskontinuitäten der deutschen Sozialpolitik bis 1945“ fand im Dezember 2014 statt, am Ende dieses Jahres befasst sich eine weitere Tagung mit der Arbeitspolitik in den besetzten Gebieten, im März 2016 werden wir eine Konferenz zur internationalen Sozialpolitik während der 1930er und 1940er Jahre durchführen, die sich insbesondere mit den von Deutschland ausgehenden Ideen und ihrer Rezeption im Ausland befassen soll.

Moritz Hoffmann: Große Forschungsprojekte werden ja oft durch öffentliche Debatten angestoßen, wie dies zum Beispiel bei der Familie Quandt der Fall war – woher kam der Impuls in diesem Fall, und wie und von wem wird das Vorhaben finanziert?

Dr. Ulrike Schulz: Es hat seit der Bearbeitung der Geschichte des Auswärtigen Amtes  so etwas wie eine Dominoreaktion gegeben, die noch einmal angefacht wurde durch eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke, die bei den Ministerien anfragte, warum sie sich bisher nicht mit ihrer NS-Geschichte befassen. Dies war sicher ebenso ein Anstoß wie der Ministeriumsumlauf und die Erfahrungen mit dem Projekt zum Auswärtigen Amt, und aus diesem Grund hat sich dann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, damals noch unter Frau Dr. Ursula von der Leyen, dazu entschieden, eine Historikerkommission einzuberufen und eine Vorstudie erstellen zu lassen, um den Umfang eines solchen Projektes abschätzen zu können. Dies geschah zwischen 2012 und 2013, im April 2013 wurde die Kommission offiziell berufen und arbeitet seit Januar 2014 am Projekt.

Dr. Martin Münzel: Die Finanzierung erfolgt alleine durch das Bundesministerium. Von wem tatsächlich letztlich die Initiative ausging wissen wir nicht, ausdrücklich zu betonen ist in jedem Fall, ist dass wir uns als unabhängige Historikerkommission verstehen und das auch sind. Wir würden selbstverständlich keinerlei Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung oder Quellenzugänge hinnehmen, von Seiten des Ministeriums ist eine solche bisher aber auch nicht ausgeübt worden. Es ist allerdings auch so, dass das Ministerium die für uns relevanten Quellen größtenteils nicht im Hause hat, diese lagen auch zuvor recht unangetastet im Bundesarchiv. Unsere Aufgabe ist es nun, diese Bestände zu durchforsten, wobei es, was die Vollständigkeit angeht, eine Einschränkung im Bereich der für die Nachkriegszeit relevanten Personalakten gibt, deren Verbleib zum Teil noch unklar ist.

Moritz Hoffmann: Sie sprachen gerade die vielen Dimensionen des Reichsarbeitsministeriums an. Gibt es in diesem großen Bereich schon Erkenntnisse bezüglich der Geschichte der Landesministerien, sehen Sie dort Anknüpfungspunkte?

Dr. Ulrike Schulz | © Noel Tovia Matoff

Dr. Ulrike Schulz: Diese Verbindungen sehen wir ganz deutlich. Streckenweise ist der Bezug in die Landesebene auch lokal institutionalisiert, so natürlich bei den Versicherungsämtern, der Fürsorge, den Krankenkassen, dem Wohnungswesen und vielen Organisationen, die damit verknüpft sind. Das betrachten wir ganz genau und unsere Teilprojekte sind mitunter auch darauf angewiesen, die Landesebene mit zu erforschen. Das Wohnungswesen, das ich mit bearbeite, ist etwa Ländersache, das heißt das Reichsarbeitsministerium fungiert hier als Rahmengesetzgeber, wodurch für uns sehr wichtig ist, zu untersuchen, was die Länder in diesem Rahmen tun und ob die Durchsetzungsfähigkeit der Reichsbehörde gewährleistet ist. Dieses Prinzip kann man dann auf fast alle Arbeitsbereiche anwenden, weil beispielsweise auch die Versicherungsämter der Länder verwaltungstechnisch eine große Eigenständigkeit haben und diese an ihre regionalen und lokalen Verhältnisse anpassen. Deshalb interessiert uns das Zentrum-Peripherie-Problem im Sinne von Machtstrukturen, Kommunikationskanälen und routinierten Organisationsabläufen, die ja das „A und O“ der Zusammenarbeit sind. Dabei gilt aber immer einschränkend, dass die Arbeitsbereiche sehr unterschiedlich sind, die Sozialversicherung ist natürlich ganz anders als etwa das Wohnungswesen. Aber um es kurz zusammenzufassen: Wir haben die Länderverwaltung immer im Blick, sie spielt für die einzelnen Handlungsfelder eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Moritz Hoffmann: Sie, Frau Schulz, bearbeiten im Forschungsprojekt die „Anatomie der Behörde“, Dr. Münzel übernimmt die personellen Strukturen. In welchen Punkten unterscheiden sich diese Ansätze, wie kann man das ausdifferenzieren?

Dr. Martin Münzel: Das ist insofern eine gute Frage, als wir sie uns auch laufend stellen und uns genau überlegen müssen, wie und wo wir an diesem Punkt zusammenarbeiten. Natürlich kann man ohne die Personen keine Geschichte der Struktur und Entwicklung des Ministeriums schreiben, gleichwohl können wir auch nicht nur die Personen betrachten ohne zu wissen, welche Funktion und Position sie im Rahmen der Organisation der Behörde hatten. Wir arbeiten vor allem für den zeitlichen Bereich von 1919 bis 1945 eng zusammen und verwenden eine Personendatenbank, für deren Aufbau ich verantwortlich bin. Zur Frage der Auswertung und Interpretation vor dem Hintergrund der Ministeriumsentwicklung entwickeln wir gemeinsam Konzepte. Für die Zeit nach 1945 bearbeite ich darüber hinaus die Geschichte der Nachkriegsbehörden weniger mit dem Anspruch einer umfassenden Behördengeschichte, sondern mit konzentriertem Blick auf das Personal bis 1960.

Dr. Ulrike Schulz: Aus genau diesem Grund sind wir auch zu zweit hier – auf den ersten Blick wirkt diese Aufteilung nicht ganz einfach, auf den zweiten macht sie aber sehr viel Sinn, denn in dieser Intensität könnte ich die Personalebene niemals alleine untersuchen – wir profitieren also beide jeweils von den Aufgaben und Erkenntnissen beider Teilbereiche. In einer solchen Behörde geht es ja auch nicht nur um die Personen, weil Personen zwar die Behörde gestalten, es dort aber auch noch eine sehr eigene Dynamik zu beachten gilt, die nicht über Struktur- und Geschäftsverteilungspläne abbildbar ist. Was ist das für eine Organisation, wie funktioniert sie als Arbeit- wie auch Gesetzgeber, wie als Verwaltungsauftraggeber, als Regierungsorganisation? Daraus begründet sich das Schreiben einer Behördengeschichte, denn die Tatsache, dass die Ausgestaltung der Organisation so groß und vielfältig ist ermöglicht erst durch die Aufteilung die Intensität der Erforschung, die wir jetzt leisten. Alleine wäre dies für keinen von uns erreichbar.

 

Zum zweiten Teil des Interviews.

„Es gehört mehr dazu als die reine Auszählung der Personen“ – Interview mit Dr. Ulrike Schulz und Dr. Martin Münzel, Teil 2

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Den ersten Teil des Interviews mit Dr. Ulrike Schulz und Dr. Martin Münzel können Sie an dieser Stelle lesen.

Moritz Hoffmann: Eine der Thesen zum Auswärtigen Amt im Nationalsozialismus war, dass sich das Innenleben nach 1933 nicht so stark änderte – können Sie schon absehen, wie es sich hierzu im Reichsarbeitsministerium verhält?

Dr. Ulrike Schulz: Das kommt ganz darauf an, wo man nachsieht. Bezüglich der Personen, und das ist angesichts des Workshops eine passende Ebene, kann sich anfangs gar nicht so viel ändern, weil die gesamte Beamtengesetzgebung und die Ernennungspraxis das nicht zulassen würde. Das heißt, es ist nicht erstaunlich, dass die „Nazifizierung“ des Spitzenpersonals  im Reichsarbeitsministerium nicht unmittelbar beginnt. Das ist das strukturelle Argument. Dagegen gibt es selbstverständlich die „nationalsozialistische Revolution“ auch im Reichsarbeitsministerium in dem Sinne, dass zwei Minderheiten binnen kürzester Zeit ausgeschlossen werden: Frauen und Juden. Das ist, denke ich, bei fast allen Ministerien der Fall, fällt aber nicht so sehr ins Gewicht, weil es auch schon vorher nicht viele Frauen und Juden in diesen Positionen gab. Wir können also als vorläufiges Ergebnis durchaus festhalten, dass es eine – erwartbare – große Kontinuität gab, eine „Nazifizierung“ dann nachfolgend stattfand als die Ernennungspraxis regulär, automatisiert verlief, als die neuen Ernennungswege funktionierten und klar war, dass bestimmte hohe Beamtenposten nur noch als NSDAP-Mitglied zu erreichen waren – wobei sich natürlich die Frage stellt, ob eine Parteimitgliedschaft schon Ausdruck einer NS-Gesinnung ist, worüber wir unsere Zweifel haben. Es gibt also strukturelle und persönliche Gründe für Personalentscheidungen, und deshalb untersuchen wir die individuellen Karriereverläufe sehr genau. Das sind interessante Forschungsfragen, die wir mit dem uns zur Verfügung stehenden Material auch bearbeiten können. Eine wichtige Einschränkung ist allerdings, dass es hier nur im die höheren Beamten geht, die wir schon weitgehend bearbeitet haben, und auch dort nur um das Reichsarbeitsministerium als Steuerungsbehörde. Andere große Institutionen die formal zum Ministerium gehören wie beispielsweise das Reichsversicherungsamt haben noch einmal ein eigenes Organisationsgefüge, zu dem wir noch keine fundierten Aussagen treffen können.

Dr. Martin Münzel: Grundsätzlich sind das wirklich die ersten Ergebnisse, die wir nun, auch auf dem Workshop, auf den Tisch legen können. Gerade was die Frage nach personellen Kontinuitäten – nicht zuletzt nach 1945 – angeht, sind wir davon überzeugt, dass vieles sehr differenziert betrachtet werden muss, auch wenn die Öffentlichkeit großes Interesse an eher spektakulären Einzelfällen hat. Aber es kommt immer auf die Perspektive an. Und viele Fragen über mentale Ausprägungen im Reichsarbeitsministerium lassen sich nicht ohne Weiteres beantworten, und wir wissen auch nicht, ob wir sie jemals zufriedenstellend beantworten können. Es gehört eben mehr dazu als die reine Auszählung der Personen.

Moritz Hoffmann: Sie sprechen jetzt hauptsächlich von den höheren Beamten, nehmen Sie auch die unteren Ebenen des Personals mit in den Blick?

Porträt-Schulz

Dr. Ulrike Schulz | © Noel Tovia Matoff

Dr. Ulrike Schulz: An dieser Stelle kommen wir zu der Frage, was wir als Historikerinnen und Historiker leisten und abdecken können. Wenn wir es schaffen, die höheren Beamten der Gesamtbehörde ansatzweise in den Blick zu nehmen, haben wir schon viel erreicht. Allein quantitativ ist das nicht zu vergleichen mit dem Finanz- oder Wirtschaftsministerium, und selbst die haben Beamte auf regionaler und lokaler Ebene. Wir müssen schon mitbedenken, welche Ringe um die Steuerungsbehörde wir mit untersuchen, wir müssen uns immer die Frage stellen was möglich, aber auch was nötig ist.
Wir betrachten schon das Reichsarbeitsministerium als Arbeitgeber, also speziell die Verhältnisse, unter denen Beamte unter dem Rang eines Regierungsrates gearbeitet haben, aber individuell betrachten wir das Personal bis zum Regierungsrat, also eine hohe Besoldungsstufe des mittleren Beamtentums. Alles andere wäre nicht machbar und würde außerdem ein großes Quellenproblem darstellen, denn beispielsweise an die Schreibkräfte kommt man gar nicht so leicht heran.

Dr. Martin Münzel: Aber diese hohen Ebenen des Beamtentums sehen wir uns dafür umso genauer an und versuchen, das gesamte gehobene Wissen zu berücksichtigen, um nicht in Klischees steckenzubleiben. Im Gegenteil, wir wollen darüber hinausgehen, und das geht nur, wenn wir so viele Faktoren wie möglich in die Analyse dieser Beamten mit einbeziehen.

Moritz Hoffmann: Sie erwähnten  bereits die Öffentlichkeit und ihr Interesse daran. An welchen Punkten bemerken Sie eine Nachfrage nach Ihrer Arbeit ganz besonders, und wie gehen Sie damit um?

Dr. Martin Münzel: Unser Anspruch ist in jedem Fall, unsere Forschungen auch in die Öffentlichkeit hineinzutragen, weil wir meinen, dass sie einen Anspruch darauf hat mitzubekommen, was wir tun. Wir wollen selbstverständlich konzentriert wissenschaftlich forschen und uns innerhalb der Fachwissenschaft vernetzen, aber nicht nur im Elfenbeinturm sitzen und am Ende eine schöne Buchreihe veröffentlichen, die nur für ein kleines Fachpublikum relevant ist. Wir arbeiten in einem öffentlich geförderten Projekt und wollen, auch im Unterschied zu dem einen oder anderen Parallelvorhaben, nach außen gehen und unsere Ergebnisse an die Öffentlichkeit herantragen. Nun ist das Reichsarbeitsministerium keine spektakuläre Behörde, bei der uns automatisch das Interesse zufliegt. Die Frage, die uns oft als erste gestellt wird, ist diejenige nach der Verantwortung des Reichsarbeitsministeriums im Zusammenhang mit der millionenfachen Zwangsarbeit. Das blenden wir natürlich keinesfalls aus, sondern haben im Gegenteil ein eigenes Teilprojekt, das sich mit dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz befasst, der ab März 1942 für die Rekrutierung von Arbeitskräften und Zwangsarbeitern in den besetzten Gebieten zuständig war. Wir veranstalten ja auch die eingangs erwähnte Tagung zum Thema. Wie Ulrike Schulz aber auch schon deutlich gemacht hat, verbinden sich für uns mit dem Reichsarbeitsministerium noch zahlreiche andere spannende Fragestellungen und Facetten.

Dr. Ulrike Schulz: Ergänzend dazu stellt sich ja auch immer die Frage, wer sich dafür interessieren soll, und wer sich dafür interessieren kann. Neben der wissenschaftlichen Öffentlichkeit sind das mit Sicherheit die Menschen aus dem Bundesministerium, die zu erreichen für uns auch sehr wichtig ist. Bislang gibt es dort eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Referat. Wir machen dort regelmäßig Veranstaltungen, auf denen wir über unseren Forschungsprozess berichten, die sehr gut besucht sind und auf denen auch Diskussionen stattfinden. Man kann also nicht behaupten, dass sich beispielsweise die Ministerialbeamten nicht für uns interessieren würden, dass sie erst am Ende ins Buch schauen würden mit der Frage „Wie viele Nazis waren es denn nun?“.

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Dr. Martin Münzel | © Noel Tovia Matoff

Dr. Martin Münzel: Bei den Ministeriumsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern ist zweifellos eine sichtbare Aufmerksamkeit vorhanden. Wir merken, dass dort, was uns auch nicht überrascht hat, ein verstärktes Interesse an der Frage nach der Kontinuität in die Nachkriegszeit hinein besteht und die Fragen schnell in diese Richtung gehen, allerdings auch nicht ausschließlich. Das Publikum dort fachlich sehr bewandert, und auch wenn unser Forschungsgegenstand zeitlich 70, 80, 90 Jahre zurückliegt, kommen viele Fragen und Hinweise, die auch uns weiterhelfen. Denn dort sitzen heute wieder Experten, denen man auch nicht irgendetwas erzählen kann. Denn auch wenn wir über Geschichte reden, wissen diese Menschen in vielen Bereichen sehr gut Bescheid, und das ist auch für uns spannend.

Dr. Ulrike Schulz: Viele Dinge haben sich in der Verwaltungsorganisation des Ministeriums auch überhaupt nicht geändert, und es ist auch schön, wenn die Ministeriumsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter gespiegelt sehen, in welchen Traditionen sie sich doch immer noch befinden. Und ich glaube, wenn wir das schaffen, ist das die Öffentlichkeit, die wir zuvorderst ansprechen außerhalb der Geschichtswissenschaft. Was danach passiert, liegt an der Öffentlichkeitsarbeit, die wir für die Buchprojekte an den Ergebnissen ausrichten. Aber diesen Schritt können wir nicht vor dem ersten machen, also dem, Forschungsprojekte aufzulegen die interessante Ergebnisse zu Tage führen.

„Organisationsgeschichte erzählt sich nicht aus sich selbst“– Interview mit Dr. Stefanie Middendorf, Teil 1

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bild_middendorf_vortrag

bild_middendorf_vortragDr. Stefanie Middendorf, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und in dem Forschungsprojekt „Geschichte des Reichsministeriums der Finanzen in der Zeit des Nationalsozialismus“, stellte im Rahmen des Workshops „Bausteine einer Verwaltungsgeschichte des Nationalsozialismus im Reich und in den Ländern“ am 16. April 2015 in Heidelberg ihr Teilprojekt über die Institutionsgeschichte des Reichsfinanzministerium in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus vor.
Mit Projektmitarbeiterin Sina Speit sprach Dr. Stefanie Middendorf über ihren organisationsgeschichtlichen Ansatz und das öffentliche sowie ministeriale Interesse an der Erforschung von Ministerien und Behörden und ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit.

Sina Speit: Sie erforschen das Reichsfinanzministerium in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Mit welchen Fragen gehen Sie an die Erforschung dieser Institution heran und warum haben Sie diesen Zeitraum gewählt?

Dr. Stefanie Middendorf: Im Rahmen unseres größeren Forschungsprojektes zum Reichsministerium der Finanzen schreibe ich die organisationsgeschichtliche Studie, das heißt zentrale Fragen sind, wie das Ministerium selbst funktioniert hat und wie seine inneren Strukturen – dazu zählen auch Arbeitsweisen und die Erfahrungen des Personals – zu politischen Entscheidungen beigetragen haben. Der spezifische Fokus ist also, welche Rolle dieser Ort „Ministerium“ für die Geschichte der Finanzpolitik spielt. Mich interessiert dabei insbesondere der Zusammenhang zwischen Finanzpolitik – vor allem Haushaltspolitik – und Staatlichkeit, also welche Vorstellungen von „Staat“ in den Entscheidungen innerhalb des Ministeriums oder in der Selbstbeschreibung der Beamtenschaft eine Rolle gespielt und wie sich diese verändert haben. Daraus erklärt sich auch die Überschreitung der Zäsur von 1933, also die Verbindung der Geschichte des Ministeriums in der Weimarer Republik mit jener der Zeit des Nationalsozialismus. Das Reichsfinanzministerium hat schon bei seiner Gründung 1919 eine besondere Rolle dafür gespielt, wie Verfassungsstaatlichkeit und Zentralstaatlichkeit politisch begriffen wurden. Dieser Zusammenhang hat die Position dieses Ministerium stark beeinflusst und besaß eine Dynamik, die nicht erst 1933 begann.
Um zu verstehen, wie dieses Ministerium sich im Nationalsozialismus verhält, ist es daher wichtig, diese früheren Erfahrungen mit einzubeziehen. Damit beschreibt man auch den Anteil des Ministeriums am staatlichen Wandel nicht nur als eine Reaktion auf den Machtantritt Hitlers, sondern als aktives Moment.

Sina Speit: Ist dieser Ansatz, das Ministerium als aktiven Akteur mit eigenen Erfahrungen zu beschreiben, spezifisch auf das Reichsfinanzministerium anwendbar? Oder sehen Sie auch Perspektiven, dies genauso auf andere Behörden zu beziehen?

Das Reichsfinanzministerium am Berliner Wilhelmplatz (ca. 1930-1936)

Das Reichsfinanzministerium am Berliner Wilhelmplatz (ca. 1930-1936)

Dr. Stefanie Middendorf: Unbedingt, damit könnte man die verschiedenen Forschungsprojekte zu den verschiedenen Ministerien auch verbinden. In der Frage, was Organisationen oder Institutionen eigentlich sind, diese Begrifflichkeit zu klären, sind andere Wissenschaftsdisziplinen sehr viel weiter. Ich beziehe mich vor allem auf die Organisationssoziologie von Niklas Luhmann und auf Ansätze einer Kulturgeschichte der Verwaltung. Das sind Theorien, die man auf verschiedene Administrationen und auch vergleichend anwenden könnte – man könnte fragen, wie weit komme ich mit diesem Ansatz beim Reichsfinanzministerium und wie weit trägt er bei einem Ministerium, das vielleicht anders funktioniert – wie das Reichsarbeitsministerium oder die regionalen Ministerien. Haushaltspolitik ist ja mein Fokus, und das ist ein Politikbereich, der auf eine bestimmte Art und Weise funktioniert, der in seiner Normgebung relativ wenigen Wandlungen unterliegt. In so einem Feld verhält sich eine Behörde natürlich anders, als wenn sie für Wohnungsbau oder das Justizwesen zuständig ist. Die Stabilität der Institution ist beim Reichsfinanzministerium über das Jahr 1933 hinweg sehr ausgeprägt, es wurden die Grundstrukturen nicht verändert, und auch der Kompetenzbereich wurde nicht grundsätzlich aufgebrochen. Somit denke ich viel mehr über die Stabilität einer Organisation in der Dynamik von Staatlichkeit nach als jemand, der oder die sich beispielsweise mit einem Ministerium beschäftigt, das große Teilbereiche abgeben musste. Dort wäre die innere Dynamik der Organisation viel stärker, und man müsste dann vielleicht mit anderen Theorien oder Ansätzen arbeiten, um diese größere innere Dynamik beschreiben zu können. Dafür wäre ein Austausch über Methoden der Institutionen- und Verwaltungsgeschichte sehr sinnvoll.

Sina Speit: Kommen Sie in Ihrer Forschung mit anderen Ministerien in Berührung, zum Beispiel mit Landesministerien?

Das Reichsfinanzministerium in Berlin, 1935

Das Reichsfinanzministerium in Berlin, 1935

Dr. Stefanie Middendorf: Grundsätzlich schreibe ich eine Geschichte des Reichsministeriums, also der Fokus liegt auf dem Zentrum in Berlin. Sicherlich könnte man auch die regionalen und lokalen Strukturen der Finanzverwaltung, also etwa die Oberfinanzpräsidien und Finanzämter, einbeziehen, das ist im Rahmen meines Forschungsprojekts leider nicht machbar. Die Länder sind natürlich insofern wichtig, als das Reichsfinanzministerium im Nationalsozialismus die Kompetenz über die Haushalte der Länder erhielt, also die zentrale Zuständigkeit auf die Länderhaushalte ausgedehnt wurde. Schon in der Weimarer Republik war das ein Grundthema, das Verhältnis des Reichs zu den Länderfinanzen, und die Frage, wie man diese Ansprüche ausgleicht. So schaue mir in meiner Arbeit zum Beispiel einzelne Haushaltsplanungen exemplarisch an, und dort, wo das grundsätzlich oder in bestimmten Konflikten eine Rolle spielt, da tauchen die Landesministerien auch auf. Zum Beispiel bei der Frage der Übernahme von Kompetenzen und der Aushandlung dieser Kompetenzen zwischen den verschiedenen Akteuren auf der regionalen Ebene – Reichsstatthalter, Gauleiter, Länderministerien. Es gab in der Zeit des Nationalsozialismus auch einige grundsätzlichere Debatten darum, wie die Struktur von Haushaltsführung in einer neuen Ordnung des Reiches aussehen sollte, und auch da ist das Reichsfinanzministerium in der Auseinandersetzung mit dem Reichsinnenministerium und den Ländern zu begreifen. Insofern kommt die Beziehung zu Landesministerien vor, ist aber nicht zentraler Gegenstand meiner Forschung.

Sina Speit: Wie halten Sie es im Rahmen Ihrer Institutionsgeschichte mit einzelnen Funktionsträgern? An welchen Stellen ist eine nähere Betrachtung einzelner Personen, im Falle Ihrer Forschung etwa des seit 1932 tätigen Reichsfinanzministers Lutz Graf Schwerin von Krosigk, sinnvoll?

Dr. Stefanie Middendorf

Dr. Stefanie Middendorf

Dr. Stefanie Middendorf: Das ist eine schwierige Frage. Ich hatte mir ursprünglich vorgestellt, eine Art Kollektivbiografie zu integrieren, also systematisch Personen, ihre Herkunft und ihre Rolle zu erfassen. Das scheiterte daran, dass die entsprechende Überlieferung für das Reichsfinanzministerium nicht existiert. Die Personalakten sind nicht im zentralen Bestand vorhanden, somit müsste man die Biografien einzelner Personen recht aufwändig über dezentrale Überlieferungen recherchieren – zum Beispiel über Entnazifizierungsverfahren und über andere Verwaltungen, in denen sie später tätig waren. Dabei bleibt dann zudem unsicher, was so ein Ansatz analytisch erbringen kann. Die andere Option wäre gewesen, eine Art Doppelbiografie der Spitze des Ministeriums zu erzählen – das erschien dann aber ebenfalls nicht unproblematisch. Der Staatssekretär Reinhardt und der Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk haben schon in den apologetischen Narrativen nach dem Krieg so eine Art Rollenverteilung des Guten und des Bösen eingenommen – also hier der unpolitische Fachmann Schwerin von Krosigk und dort der Parteimann Reinhardt. Dieses Narrativ wollte ich nicht übernehmen. Ich werde auf die Akteure dort eingehen, wo ich den Eindruck habe, dass deren persönliches Profil oder deren Netzwerke eine besondere Rolle spielen und erfassbar sind. Ein Beispiel ist der spätere Chef des Generalbüros, früher Leiter des Anleihereferats Walther Bayrhoffer – ein sehr gut vernetzter Mann, der auch im Reichsbankdirektorium vertreten war. An solchen Beispielen schaue ich mir an, welche Rolle diese Netzwerke in bestimmten politischen Momenten oder Entscheidungen spielten. In solchen Fällen würde ich diesen Akteur also plastischer mache, aber grundsätzlich ist das bei mir kein Narrativ geworden.

Sina Speit: Ist Ihr Fokus des gesamten Ministeriums als Akteur auch dadurch bedingt, dass es sich um ein Reichsministerium mit einer entsprechenden Größe handelt? Können Sie sich vorstellen, dass es – abgesehen von der Quellenlage, die eine Betrachtung von Biografien nicht hergibt – in anderen Zusammenhängen noch wichtiger ist, einzelne Personen hervorzuheben?

Dr. Stefanie Middendorf: Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, dass es viel Sinn macht, auf Akteure stärker einzugehen, als ich es jetzt mache. Ich finde es jedoch schwierig, dass Verwaltungs- oder genereller Organisationsgeschichten nicht selten sehr personalisiert geschrieben werden, etwa im Falle von Ministerien dann als „Ära“ des einen und dann des nächsten Ministers. Das kann sicherlich eine mögliche analytische Lösung sein, ich finde es aber nicht unproblematisch, wenn dies eine Einheit der Behörde suggeriert, etwa in dem Sinne, dass unter einem Minister auch ein einheitlicher Handlungsstil und spezifische Muster im Habitus der Beamtenschaft herrschen. Das grundlegende Problem ist: Organisationsgeschichte erzählt sich ja nicht so richtig aus sich selbst – man kann die Strukturen beschreiben, man kann darstellen, wie sie funktionieren, aber man hat dadurch noch nicht unbedingt ein Narrativ. Das Problem ist dann, wenn die starke Personalisierung dieses Narrativ ersetzt oder selbst zum Narrativ wird. Aber wenn man gutes Material hat und vielleicht so etwas wie innere Konfliktlagen beschreiben kann, die sich verschieben, sich in der Zeit verändern oder die dazu beitragen, dass in einem wichtigen Politikbereich bestimmte Entscheidungen getroffen werden, oder wenn es personelle Netzwerke gibt, die über das Ministerium hinausreichen, dann finde ich das schon sehr spannend. Das träfe dann sowohl auf die Reichs- als auch auf die Landesebene zu, dafür braucht man aber das entsprechende Material, das vermutlich außerhalb der ministeriellen Überlieferung aufzusuchen ist.

 

Zum zweiten Teil des Interviews.

„Der Austausch mit der heutigen Beamtenschaft kann sehr hilfreich sein“– Interview mit Dr. Stefanie Middendorf, Teil 2

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„Der Austausch mit der heutigen Beamtenschaft kann sehr hilfreich sein“
Im Zuge des des Workshops „Bausteine einer Verwaltungsgeschichte des Nationalsozialismus im Reich und in den Ländern“ führte Projektmitarbeiterin Sina Speit ein Interview mit Dr. Stefanie Middendorf

bild_middendorf_vortragDen ersten Teil des Interviews mit Dr. Stefanie Middendorf können Sie an dieser Stelle lesen.

Sina Speit: Inzwischen gibt es mehrere Forschungsprojekte zu ehemaligen Ministerien und Behörden auf Reichsebene, wie auch zum Reichsarbeitsministerium. Ist das „Reichsfinanzministerium“ darunter eine Organisation, dessen Geschichte auf ein spezielles öffentliches Interesse stößt?

Dr. Stefanie Middendorf: Das Projekt hat seinen Ursprung im Finanzministerium selbst, etwa im Jahr 2008. Gründe waren, dass das Ministerium bis heute mit Restitutionsfragen beschäftigt ist und intern das Bedürfnis existierte, etwas in der Hand zu haben, um das historisch einschätzen zu können. Überlagert wurde das in der Anfangsphase dann von der Debatte zu der Publikation über das Auswärtige Amt, die das Thema plötzlich sehr präsent machte. Zu dem Zeitpunkt gab es für das Projekt zum Reichsfinanzministerium ein sehr großes mediales Interesse, weil es erst das zweite Projekt dieser Art war und daher zunächst auch unter einer ähnlichen Form von Aufregung wahrgenommen wurde. Dieses Interesse ist durchaus geblieben, es ist jedoch nicht so politisiert und auch nicht so personalisiert, wie das beim Auswärtigen Amt der Fall war. In der Hinsicht, Schuldfragen auf Biografien Einzelner zuzuspitzen, ist es meines Erachtens in der Öffentlichkeit insgesamt etwas ruhiger geworden. Dennoch spielt zum Beispiel das Thema der fiskalischen Verfolgung in den Medien natürlich immer wieder eine Rolle, hier wurden etwa die Befunde der bereits erschienenen Studie von Christiane Kuller rezipiert und präsentiert. Innerhalb des Ministeriums ist das Interesse durchaus hoch zum Beispiel dahingehend, wie Finanzpolitik eigentlich unter anderen historischen Bedingungen funktioniert hat. Dabei geht es weniger um die medial inszenierten Fragen, ob es „Verstrickungen“ gab oder „Nazis“, sondern um die Ebene der Fachpolitik – etwa um die Frage, wie man Staatsverschuldung unter diktatorischen Bedingungen organisiert hat oder darum, wie Ausbeutung und vermeintlich normale Routinen der Finanzpolitik miteinander verknüpft waren. Darüber hinaus gibt es auch ein Interesse im politischen Raum, etwa durch die Anfragen an die Regierung zur Erforschung der Geschichte der Ministerien, die das Thema in der parlamentarischen Öffentlichkeit präsent gemacht haben. Schließlich wurden Mitglieder der Kommission auch in tagesaktuellen Fragen, wie zum Beispiel zu den Reparationsforderungen Griechenlands, als Experten wahrgenommen und gehört.

Sina Speit: Sie haben den Austausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesfinanzministeriums angesprochen. Haben Sie dafür bestimmte Formate entwickelt, in denen dieser Austausch stattfindet?

Das Reichsfinanzministerium in Berlin, 1935

Das Reichsfinanzministerium in Berlin, 1935

Dr. Stefanie Middendorf: Wir haben einmal im Jahr einen Werkstattbericht in Form von Vorträgen für die ministeriale Öffentlichkeit mit anschließender Diskussion ausgerichtet. Auf unserer Homepage werden das Projekt und aktuelle Veranstaltungen vorgestellt, sowie die Publikationen, die jetzt nach und nach erscheinen. Dann gibt es auf der Ebene der Kommission Treffen mit den betreffenden Abteilungsleitern oder dem Staatssekretär. Ich selbst habe im Ministerium ein Büro bekommen, so dass ich dem Abteilungsleiter zwischendurch einfach berichten konnte, was wir so machen. Ich hatte auch den Eindruck, dass das eine gute Möglichkeit ist darüber zu diskutieren, welche Rolle eigentlich Historikerinnen und Historiker mit ihrer Forschung nicht nur für eine mediale Öffentlichkeit, sondern auch für die Bereitstellung von Handlungswissen und Erfahrungswissen für die Ministerialbeamtenschaft spielen. Für Soziologen oder Juristen ist das ja ganz selbstverständlich, dass sie für Ministerien auch Forschungsexpertise bereitstellen. Bei uns Historikerinnen ist das schwieriger oder auch mit einem unguten Gefühl verbunden, vor allem wenn der Eindruck entsteht, man betreibe unmittelbare Auftragsforschung. Es geht mir dabei gar nicht um die öffentliche Debatte und die stark aufgeregten Inszenierungen von NS-Geschichte, sondern darum, wie Forschung dazu beitragen kann, dass Finanzpolitik (oder Innen- oder Wohnungsbaupolitik) um ihre historischen Hintergründe weiß und um die Kontinuitäten oder Diskontinuitäten zu früheren Zeite. Ich könnte mir vorstellen, dass man da noch viel mehr machen kann, zum Beispiel in Form kleinerer Besprechungen oder Workshops als Angebot für einzelne Abteilungen, in denen Interesse dafür besteht.

Sina Speit: Haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass Sie von dem Wissen der heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren, dass also ein beidseitiger Austausch stattfinden kann?

Dr. Stefanie Middendorf

Dr. Stefanie Middendorf

Dr. Stefanie Middendorf: Auf jeden Fall. Je nachdem, wie speziell das Politikfeld ist, das man bearbeitet – und Finanzpolitik ist ja schon sehr speziell, hat eigene technische Instrumentarien und Regeln – nimmt man Sachverhalte eventuell fälschlicherweise als spezifisch für die NS-Zeit wahr. In Bereichen wie Steuerpolitik oder Anleihepolitik ist es so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums einiges aus den alten Akten als überhaupt nicht neu wahrnahmen und über andere Bereiche oder Handhabungen stolperten, die ich als Historikerin so vielleicht nicht als ungewöhnlich wahrgenommen hätte. Auch zeigte sich, dass es für das Reichsfinanzministerium in der Überlieferung wenig programmatisches Material gibt – zum Beispiel ganz wenige Besprechungsprotokolle oder Denkschriften, etwa im Vergleich zu anderen Organisationen wie der Reichsbank. An solchen Unterlagen kann man aber so etwas wie eine grundsätzliche Ausrichtung des Ministeriums oder strategische Entscheidungsprogramme gut abbilden. Wir haben uns das lange damit erklärt, dass vieles verbrannt oder absichtlich vernichtet worden sei. Dann merkten wir aber im Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des heutigen Ministeriums, dass dies möglicherweise bis heute ein Spezifikum dieser Organisation ist. Es gibt zwar inzwischen eine finanzpolitische Grundsatzabteilung, die hat aber eine andere Bedeutung als in anderen Ressorts. Diese scheinbare programmatische Zurückhaltung macht es bis heute auch so schwer, die Verantwortung des Ministeriums für bestimmte politische Entscheidungen festzustellen. Wir haben auch bemerkt, dass es fast keine Überlieferung des Ministerbüros gibt. Auch das liegt möglicherweise daran, wie Material institutionenspezifisch bis heute aufbewahrt wird, und hier kann der Austausch mit der heutigen Beamtenschaft sehr hilfreich sein.


„dks u hhi…“ [Danke schön und Heil Hitler]: Zur Datierung politischer Entscheidungen bei der Besetzung des Elsass

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Compiegne 1940, Generaloberst Keitel überreicht die Waffenstillstandsbedingungen
Compiegne 1940, Generaloberst Keitel überreicht die Waffenstillstandsbedingungen

Compiegne 1940, Generaloberst Keitel überreicht die Waffenstillstandsbedingungen | Bundesarchiv, Bild 146-1982-089-18 CC-BY-SA

Am 22. Juni 1940 unterzeichnete Frankreich ein Waffenstillstandsabkommen mit dem deutschen Reich – und zwar in Compiègne, am selben Ort, an dem das besiegte Deutsche Reich 1918 einen Waffenstillstand mit Frankreich unterzeichnet hatte. In dem Abkommen von 1940 wurden Elsass und Lothringen mit keinem Wort erwähnt. Und doch sollte dieser symbolische Akt den Beginn der deutschen NS-Herrschaft im Elsass markieren. Denn um dieselbe Zeit fanden im Verborgenen bereits Vorbereitungen statt, die den politischen Status des Elsass und somit das Leben der elsässischen Bevölkerung für die nächsten vier Jahre bestimmen sollten. Das hier einsehbare Fernschreiben, das am 19. Juni 1940 im badischen Innenministerium in Karlsruhe einging, war Bestandteil dieses Vorganges.

Mit dem Dokument lassen sich wichtige Entscheidungen bei der Okkupation des Elsass genauer datieren. Die Forschungsliteratur ist sich unsicher in der Frage, wann Hitler entschied, was mit dem im Mai und Juni 1940 eroberten Elsass passieren sollte. Fest steht lediglich, dass die NS-Führung zögerte, das Elsass sofort und explizit ins Reich einzuverleiben, da dadurch die Kollaboration Frankreichs aufs Spiel gesetzt würde, die aber unbedingt für die Fortsetzung des Kriegs gegen England benötigt wurde. Eine genauere Datierung, wann bereits ernsthaft über den Aufbau einer zivilen Verwaltung im Elsass nachgedacht wurde, wäre daher äußerst spannend. An ihr ließe sich erkennen, wie wichtig dem nationalsozialistischen Regime die Westerweiterung des Reichs im Vergleich zur Achtung der Souveränität Vichy-Frankreichs war.

Der Waffenstillstand zwischen den zwei Ländern trat am 25. Juni 1940 in Kraft. Am 30. Juni bestärkte die deutsche Waffenstillstandskommission die französische Regierung noch in der Annahme, dass es sich bei der Besetzung der Gebiete westlich des Rheins um eine militärische handelte, indem sie die Rückkehr der französischen  Verwaltungsorgane dorthin gestattete. Feste Beweise über die Einrichtung einer dauerhafteren zivilen (und nicht etwa kurzweiligen militärischen) Verwaltung im Elsass waren bisher nur aus der Zeit nach den Waffenstillstandsverhandlungen bekannt. Aus Aufzeichnungen des Staatssekretärs Wilhelm Stuckart vom 1. Juli 1940 geht beispielsweise eindeutig hervor, dass Hitler zu diesem Zeitpunkt „definitiv entschieden“ habe, „in Elsaß-Lothringen deutsche Verwaltung einzurichten.“ Und auch die offizielle Amtsbestätigung des Chefs der Zivilverwaltung Robert Wagner vom 2. August 1940 ist mit schriftlichen Quellen belegt – wenngleich auch immer noch mit äußerster Diskretion vorgegangen wurde. Der Erlass sollte nicht im Reichsgesetzblatt erscheinen, lediglich eine kurze Pressemitteilung wurde einige Tage später herausgegeben.

All dies hat der Historiker Lothar Kettenacker, der das Standardwerk über die Geschichte der NS-Herrschaft im Elsass geschrieben hat, in beeindruckend akribischer Arbeit, trotz ihm verschlossen gebliebener Quellenbestände, herausfinden können. Er kommt zu dem Schluss, dass zumindest bis zum 20. Juni „völlig unklar gewesen zu sein [scheint], was mit Elsaß-Lothringen tatsächlich geschehen sollte“, und dass Hitler mit einer endgültigen Entscheidung noch bis Anfang Juli 1940 gewartet haben muss.

Doch die mir nun zugänglichen Quellen aus dem Departementalarchiv in Straßburg ergeben ein anderes Bild. Das hier gezeigte Dokument macht deutlich, dass am 19. Juni 1940 nicht nur bereits entschieden war, dass eine deutsche zivile Verwaltung ins Elsass kommen würde, sondern bereits, welche höheren Beamten diese übernehmen würden – und das zu einem Zeitpunkt, als der Krieg zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich noch gar nicht beendet war. Tatsächlich habe ich auch eine Abschrift des Telegramms, mit dem Reichsstatthalter und Gauleiter Robert Wagner vom Oberbefehlshaber des Heeres „im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsminister des Innern“ zum Chef der Zivilverwaltung ernannt wurde, ausfindig machen können. Es datiert vom 15. Juni 1940. Zwei Tage später wurde Wagner vom Reichsinnenministerium aufgefordert, „umgehend […] Vorschläge für die Aufstellung des CdZ-Stabes [Chef der Zivilverwaltung, die Verfasserin]“ einzureichen. Ein langes Zögern seitens der NS-Führung ist hier nicht erkennbar.

Das Fernschreiben vom 19. Juni zeigt bereits das Resultat des Austauschs zwischen Reichs- und Landesbehörden bezüglich der personellen Besetzung des Besatzungsregimes. Es behandelte die Besetzung des Stabs, der den Chef der Zivilverwaltung (CdZ) für das Elsass in seiner Arbeit unterstützen sollte. Wer genau die Vorschläge machte – ob der Reichsstatthalter selbst, sein Umfeld in der Partei oder die landesministerialen Behörden – wird aus den Quellen nicht ersichtlich. Das badische Innenministerium schlug jedoch in darauffolgenden Schreiben personelle Änderungen sowie die Bestellung weiterer Beamten vor, was auch vollständig umgesetzt wurde.

Die Vorbereitungen zur zivilen und damit ganz klar nicht französischen Verwaltung des Elsass waren also sowohl in den Reichs- als auch in den Landesbehörden schon längst in vollem Gange als die Wehrmacht am 19. Juni in Straßburg einmarschierte. Das bezeugt ein Dokument, das mit der fast schon komisch anmutenden Zeile voller Abkürzungen endet: „dks u hhi   vielen dank+  bs. hh. aus+“ [Danke schön und Heil Hitler. Vielen Dank. Bitte schön. Heil Hitler. Aus.]

Die Veröffentlichung digitaler Quellen zur Geschichte Badens durch die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe

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CC-BY-SA 3.0 DE, Badische Landesbibliothek

Wer die Geschichte der badischen Ministerien und ihrer nachgeordneten Behörden wissenschaftlich untersucht, wird um die amtlichen Publikationen nicht herumkommen. Neben dem Gesetz- und Verordnungsblatt sind hier namentlich die Amtsblätter zu nennen, die die Ministerien zur Unterrichtung der gesamten öffentlichen Verwaltung des Landes regelmäßig herausgaben. Das gilt auch für die Zeit des Dritten Reiches. Zur Unterstützung des Forschungsprojekts „Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“ hat die Badische Landesbibliothek (BLB) daher die Digitalisierung einschlägiger Amtsblätter in ihre Prioritätenliste aufgenommen. Mit der Freischaltung der ausgewählten Bestände im Juni 2015 wurde diese Dienstleistung erbracht. Diese und alle im Folgenden erwähnten elektronischen Ressourcen sind über das Portal Digitale Sammlungen unter digital.blb-karlsruhe.de zu finden.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 gab es in Baden nur zwei Ministerien, die ein entsprechendes Publikationsorgan herausgaben. Beide Blätter erschienen in der Landeshauptstadt Karlsruhe, gedruckt bei Malsch & Vogel bzw. der Südwestdeutschen Druck- und Verlagsgesellschaft.

Das zusammengelegte Ministerium des Kultus, des Unterrichts und der Justiz unter Otto Wacker gab das Badische Justizministerialblatt heraus; es endete am 30. März 1935, denn zum 1. April wurden die Justizbehörden der Länder zu Reichsbehörden (digitalisierte Jahrgänge: 1931-1935). Parallel gab das Ministerium für den anderen Geschäftsbereich das Amtsblatt der Abteilung Kultus und Unterricht heraus (digitalisierte Jahrgänge: 1933-1934), das nach dem Wegfall des Justizressorts und der Verschlankung der Ministeriumsbezeichnung unter dem gekürzten Titel weitergeführt wurde (digitalisierte Jahrgänge: 1935-1942). Nach dem Umzug des Ministeriums in das deutsch besetzte Straßburg erweiterte das Organ seinen Namen zu Amtsblatt des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts und der Abteilung Erziehung, Unterricht und Volksbildung des Chefs der Zivilverwaltung im Elsass. Die Behörde war nämlich nun auch für die nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsass zuständig, die maßgebend vom Chef der Zivilverwaltung  Robert Wagner vorgegeben wurde (digitalisierte Jahrgänge: 1943-1944).

Das Badische Ministerium des Innern unter Karl Pflaumer gründete ein entsprechendes Organ unter dem Namen Ministerialblatt für die badische innere Verwaltung (digitalisierte Jahrgänge: 1935-1945). Im Geleitwort zur ersten Nummer am 4. Januar 1935 erklärte der Minister, dass die „im nationalsozialistischen Staate geforderte Einheitlichkeit in den Endzielen der gesamten öffentlichen Verwaltung und das daraus folgende Gebot verständnisvollen und sachkundigen Zusammenwirkens aller Einzeldienstzweige“ ihn bewogen habe, dieses Ministerialblatt herauszugeben. Es erschien letztmals am 17. März 1945.

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CC-BY-SA 3.0 DE, Badische Landesbibliothek

Als nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich Robert Wagner neben seiner Funktion als NSDAP-Gauleiter und Reichsstatthalter von Baden von Hitler zum Chef der Zivilverwaltung (CdZ) im Elsass ernannt wurde, veröffentlichte er an seinem Sitz in Straßburg das Verordnungsblatt des Chefs der Zivilverwaltung im Elsass, dessen erste Nummer bereits am 24. August 1940 erschien (digitalisierte Jahrgänge: 1940-1944). Für die Erforschung der deutschen – und das heißt vielfach nichts anderes als badischen – Politik im besetzten Elsass ist es eine unverzichtbare Quelle, die zudem die große Machtfülle des unmittelbar Hitler unterstellten CdZ widerspiegelt.

Als Regionalbibliothek für Baden sieht es die BLB als ihre besondere Aufgabe an, die Erforschung der oberrheinischen Geschichte durch die Bereitstellung gedruckter und elektronischer Einzelwerke und serieller Geschichtsquellen zu unterstützen. Neben mittelalterlichen Handschriften und badischen Musikalien hat sie deshalb als dritten Schwerpunkt die publizierte, urheberrechtsfreie Literatur über Baden in ihre Digitalisierungsstrategie aufgenommen.

Nicht nur badische Einzeldrucke und Gelegenheitsschriften, sondern auch vielbändige und umfangreiche Werke sind in den vergangenen fünf Jahren bearbeitet und in die Digitalen Sammlungen integriert worden. Zu nennen sind hier unter anderem die Protokolle der Ständeversammlung bzw. des Badischen Landtags zwischen 1819 und 1933, die Karlsruher Adressbücher von den Anfängen 1818 bis 1970, die unter wechselnden Titeln erschienenen Badischen Gesetz- und Verordnungsblätter (1803 bis 1952) sowie drei verschiedene Veröffentlichungen zur Statistik Badens (Gesamtzeitraum: 1856 bis 1958). Erwähnt seien auch die Bibliographie der badischen Geschichte (Berichtszeitraum: von den Anfängen bis 1971/72) und einhundert ausgewählte Titel zu Baden im Ersten Weltkrieg.

Die Berichtszeiträume geben Aufschluss darüber, welche digitalisierten Quellen für das Forschungsprojekt zu den Landesministerien gleichfalls von Interesse sein könnten. So listet beispielsweise das Karlsruher Adressbuch nicht nur die staatlichen und kommunalen Verwaltungsstellen auf, sondern auch die Büros der Partei und ihrer Gliederungen.

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CC-BY-SA 3.0 DE, Badische Landesbibliothek

Das Spektrum der ministerialen Amtsblätter wird erweitert durch das Badische Gesetz- und Verordnungsblatt, das während der gesamten Zeit des Dritten Reiches erschien, letztmals am 11. April 1945. Es ist chronologisch angelegt, enthält für jedem Jahrgang aber auch eine zunächst nach Gesetzen und Verordnungen und sodann nach Ressorts gegliederte Übersicht sowie ein detailliertes Sachregister. Es bildet eine Ergänzung für jene Ministerien, die kein eigenes Amtsblatt herausgegeben haben.

Schließlich sind als eine zentrale Quelle für jeden Zeithistoriker die Tageszeitungen hervorzuheben. Die BLB hat im vergangenen Jahr sechs Titel digitalisiert, die sie frei ins Netz stellt: Karlsruher Zeitung, Karlsruher Tagblatt, Badische Presse, Badischer Beobachter und Badische Landeszeitung reichen zeitlich bis in die nationalsozialistische Epoche. Eine Sonderstellung nehmen die Straßburger neuesten Nachrichten ein, eine weitere grundlegende Quelle für die deutsche bzw. badische Politik im Elsass während der Jahre 1940 bis 1944. Alle Zeitungen wurden, soweit die Überlieferung lückenlos ist, vollständig unter Einschluss aller Beilagen und Sonderausgaben digitalisiert. Wie grundsätzlich alle von der BLB digitalisierten Drucke sollen auch die Zeitungen für die Volltextrecherche durchsuchbar gemacht werden. Des hohen Volumens wegen kann dies aber nur schrittweise realisiert werden; den Anfang machten die Jahre des Ersten Weltkriegs. Bis dahin hilft bei der Recherche vor allem die Kalendersuche.

Von den digitalisierten Einzelwerken soll hier nur der im Auftrag des Kultusministeriums von Karl Gärtner bearbeitete Heimatatlas der Südwestmark Baden Erwähnung finden. Die erste Ausgabe erschien 1934, eine zweite, leicht erweiterte Auflage 1937. Unspektakulär weil erwartbar sind die Widmung an den Gauleiter und das Geleitwort des Kultusministers. Die aufgenommenen Karten erweisen sich hingegen als recht interessant: Sie zeugen einerseits von der geistigen Urheberschaft des Werkes, etwa wenn auf einer Karte die badischen „Opfer der Bewegung“ eingezeichnet sind, andererseits aber auch von dem über schulische Zwecke hinausreichenden Interesse an der Kultur des Landes.

Propaganda der Machtübernahme: Polemiken gegen die demokratischen Vorgängerregierungen in Baden im NSDAP-Parteiblatt „Der Führer“

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Die Titelseite des badischen NSDAP-Blattes „Der Führer“ vom 19. April 1933

Die Machtübernahme in den Ländern im Frühjahr 1933 verlief ähnlich wie auf der Reichsebene: Die systematische Beschneidung der Handlungsmöglichkeiten der politischen Opposition durch Verhaftungen und Zeitungsverbote wurde von massiver Propaganda in der nationalsozialistischen Parteipresse begleitet. Diese zielte darauf, zum einen die neuen Machthaber möglichst vorteilhaft in Szene zu setzen und zum anderen die Protagonisten der untergehenden Weimarer politischen Ordnung herabzuwürdigen. Vergleicht man die nationale Agitation mit der regionalen am Beispiel Badens, so fallen einige Parallelen unmittelbar ins Auge: So ließ sich der badische Gauleiter Robert Wagner bei der Gestaltung seines Einzugs in Karlsruhe als Reichsstatthalter am 8. Mai 1933 ganz offensichtlich vom „Tag von Potsdam“ inspirieren, der in dem Treffen Adolfs Hitlers mit Reichspräsident Paul von Hindenburg am 21. März die Verbindung von Nationalsozialismus und alter konservativer Elite symbolisieren sollte, und suchte bei den Feierlichkeiten ostentativ die Nähe zu den badischen Militärführern des Ersten Weltkriegs. Auch der Berliner Reichstagsbrand, der den Nationalsozialisten einen willkommenen Anlass bot, die Verschärfung der Verhaftungswelle gegen Kommunisten und Sozialdemokraten zu rechtfertigen, hatte ein badisches Gegenstück in der Tötung zweier Freiburger Polizeibeamter durch den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Christian Daniel Nußbaum, die statt als Unglücksfall, als die sie wegen einer psychischen Erkrankung des schließlich auch für nicht straffähig befundenen Täters erscheinen mochte, in der Parteipresse als von langer Hand geplanter „marxistischer Meuchelmord“ (Der Führer, 18. März 1933) dargestellt wurde.

Christian Nussbaum, 1929/33 LANDESARCHIV BADEN-WURTTEMBERG  Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe {231 Nr. 2937 (990)} Bild 1 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-1384556-1

Christian Nussbaum, 1929/33 Landesarchiv Baden-Württemberg Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe {231 Nr. 2937 (990)} Bild 1

Wie auf Reichsebene spielte auch in Baden in der nationalsozialistischen Propaganda des Frühjahrs 1933 die Denunziation prominenter republikanischer Politiker eine wichtige Rolle. Ihr kam in regionaler Perspektive insofern sogar eine herausgehobene Bedeutung zu, als die Regierungsumbildung in Karlsruhe, anders als in Berlin, wo ein Präsidialkabinett das andere abgelöst hatte, nicht auf dem in der Verfassung vorgezeichneten Weg erfolgt war, sondern auf der Grundlage des Notstandsrechts. Warum es nötig war, eine demokratisch legitimierte Regierung durch einen aus Berlin entsandten Reichskommissar abzusetzen, bedurfte der Erklärung: Das zu Beginn der Machtübernahme im Vordergrund stehende Argument, die abgelöste Regierung sei nicht in der Lage gewesen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, trat bald zurück hinter persönlichen Angriffen auf die alten Minister, insbesondere auf den entmachteten Staatspräsidenten Josef Schmitt und den früheren Innen-, Kultus- und Justizminister Adam Remmele, die in der zweiten Hälfte des März und im April 1933 wiederholt zu Zielscheiben einer Skandalberichterstattung im Parteiblatt der badischen Nationalsozialisten wurden.

Den Auftakt machte „Der Führer“ am 12. März mit einem Bericht über die Entdeckung einer technisch komplizierten „Bespitzelungsanlage“ im Ministerbüro des Innenressorts, mit der der Sozialdemokrat Remmele – dies sei ein Beleg für das „übelste System der Gesinnungsschnüffelei gegen die Beamtenschaft“ – sämtliche Telefonate in seinem Ministerium habe abhören können. Drei Tage später machte sich das Parteiblatt über die Versuche des Zentrumspolitikers Schmitt, sich als Glaubensmärtyrer zu inszenieren, lustig: Die von ihm erbetene Möglichkeit zur Teilnahme an einem Gottesdienst sei dem in seiner Wohnung vorübergehend in „Schutzhaft“ befindlichen abgesetzten Staatspräsidenten selbstverständlich gewährt worden, nicht aber das Vergnügen eines Theaterbesuchs, nach dem er zuerst gefragt und der für Schmitt offenkundig Priorität vor seinem Seelenheil gehabt habe. Am folgenden Tag, dem 16. März, informierte „Der Führer“ seine Leserschaft dann über die „Tragikomödie“ von Schmitts Absetzung: Als letzte Amtshandlung habe er telegraphisch an den Reichspräsidenten einen „unsagbar lächerlichen S.O.S.-Ruf“ nach Berlin abgesetzt und auf die Gefahr eines schweren „Blutvergießens“ in Karlsruhe hingewiesen – ein, wie „Der Führer“ meinte, ganz unrealistisches Szenario, da die „Tausende von katholischen Frauen und Mädchen, denen der Herr Staatspräsident seinen Thron verdankt“, auch auf seinen Wunsch „nicht zu Furien“ würden.

Adam Remmele, 1919/28 Landesarchiv Baden-Württemberg Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe {231 Nr. 2937 (869)} Bild 1 Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-1384583-1

Adam Remmele, 1919/28 Landesarchiv Baden-Württemberg Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe {231 Nr. 2937 (869)} Bild 1

Konzentrierte sich die publizistische Hetze zunächst auf die charakterlichen Mängel der früheren Minister, so garnierte „Der Führer“ diese schon bald durch Enthüllungen von politischem Fehlverhalten, vor allem einer „Mißwirtschaft“, die in allen badischen Ministerien geherrscht habe. In den Fokus rückten hierbei zum Beispiel die Pensionszahlungen an die früheren Landesminister, deren Höhe im Falle der beiden ehemaligen Staatspräsidenten Anton Geiß (SPD) und Gustav Trunk (Zentrum) publik gemacht wurde mit der gleichzeitigen Ankündigung, dass diese selbstverständlich umgehend gestrichen würden. Einen Höhepunkt erreichte die Skandalberichterstattung Anfang April mit der Eröffnung der Ausstellung „Regierungskunst 1918 bis 1933“ in der Badischen Kunsthalle in Karlsruhe, die der Öffentlichkeit vor allem moderne Gemälde präsentierte, die in den Jahren der Republik auf Staatskosten angeschafft worden waren. „Der Führer“ beklagte nicht nur, „wie hier 14 Jahre lang mit Staatsgeldern gewissenlos geast worden ist“, sondern sah durch die Karlsruher Schau, bei der es sich um ein Pionierprojekt der späteren Großausstellungen „entarteter Kunst“ handelte, auch den Nachweis erbracht, dass die „hier erstmals vereinte Afterkunst“, namentlich genannt wurden etwa Otto Dix, Max Liebermann, Edvard Munch und Max Slevogt, „ein unbestreitbarer Krebsschaden für die Volksbildung gewesen ist“ (8. April 1933).

Ging es bei den Kunstkäufen der demokratischen Vorgängerregierungen immerhin um beträchtliche Summen, so scheute sich „Der Führer“ nicht, vermeintliche Verschwendungen auch im Kleinen anzuprangern. Ein Beispiel hierfür bietet der am 19. April auf der Titelseite platzierte Artikel „Die Frühstücke der bad. Minister“, der erneut Remmele ins Visier nahm. Das Blatt zitierte aus einem Schreiben des damaligen Innenministers vom November 1928, in dem er beim Staatsministerium angeregt hatte, im Rahmen einer kleinen Feier Gustav Trunk und dem Sozialdemokraten Ludwig Marum aus Anlass ihrer zehnjährigen Mitgliedschaft in der Regierung die badische Staatsmedaille zu verleihen. Für die Ehrungen, die bei dem so zustande gekommenen „Frühstück“ der badischen Staatsregierung am 21. November 1928 vorgenommen worden waren, interessierte sich der „Der Führer“ nicht, sehr wohl aber für den Speiseplan, über den er seine Leserinnen und Leser im Detail unterrichtete: „ 1 Rehrücken, 1 Gans, 1 Ente, 11/2 Pfund Rheinsalm, Kaviar, Lax, Tomatenmark, Makkaroni, Trüffeln, Champignon, Morcheln, Erbsen, Apfelmus, Kaiserkirschen, Maronen, Mokka, Italienischer Salat, Mayonaise, Käsekuchen, Rahmschiffchen“, ein „bescheidenes Frühstück“ im Wert „von zirka 180 RM, wobei die üblichen Getränke nicht inbegriffen sind – nebenbei bemerkt, ein Betrag, von dem vier arbeitslose Familien einen ganzen Monat leben mußten“. Auch in die Kosten der Feier von Remmeles eigenem zehnjährigen Regierungsjubiläum, das im März 1929 begangen wurde, gewährte „Der Führer“ Einblick: Neben den „bereits bekannten Lieblingsspeisen“ habe man dort für 144 Mark Kaviar verzehrt, und an „Getränken gab es Kupferberg und Benediktiner. Falls sich jemand für die Zigarren interessiert, die von diesen Leuten geraucht wurden, so kann als Spezialmarke Cordon rouge zu 2 Mark und Batschari Krone zu 8 Mark empfohlen werden“. Obwohl die Intention dieses Enthüllungsberichts offenkundig war, wurde sie am Schluss nochmals expliziert: „Remmeles Lorbeerkränze sind verwelkt. Sein Name wird im badischen Volke so bald nicht der Vergessenheit anheimfallen. Dafür wollen wir sorgen, denn er war ein echter Vertreter des korrupten Novembersystems, der in Genüssen schwelgte, während die ‚Genossen‘ draußen Hungers starben“.

 

 

„Die Beamten […] mit dem bestmöglichen Rüstzeug für die Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben auszustatten“: Die Eröffnung der Verwaltungsakademie in Straßburg am 18. Dezember 1940

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Am 18. Dezember 1940 versandte Adolf Hitler an den „Reichsminister und Chef der Reichskanzlei“ Hans-Heinrich Lammers das nachstehend zitierte Telegramm in die Bismarckstraße 5 nach Straßburg:

75 DPI Telegramm Straßburg

Das Glückwunschtelegramm Adolf Hitlers zu Eröffnung der Verwaltungsakademie Straßburg (18. Dezember 1940), BArch R43/4212, Bl. 146

„Ich danke Ihnen für die Meldung von der heute erfolgten Eröffnung der Verwaltungsakademie in Strassburg und wünsche der neuen Beamtenhochschule im alten deutschen Kulturlande am Oberrhein erfolgreiche Arbeit im Dienste der politischen und fachlichen Ausbildung der hier eingesetzten Beamtenschaft. Mit Deutschem Gruß Adolf Hitler“
Dieses Telegramm des „Führers“ entstammt einem interessanten Quellenbestand der Reichskanzlei aus dem Bundesarchiv in Berlin, der uns sehr detaillierte Einblicke in die Eröffnungsveranstaltung der Verwaltungsakademie in Straßburg ermöglicht. Im Zuge der Gebietsbesetzungen wurde auch das Netz der Verwaltungsakademien und ihrer Zweiganstalten immer weiter ausgebaut. Unmittelbar nach der Besetzung von Elsass-Lothringen im Juni 1940 wurde am 18. Dezember 1940 die Verwaltungsakademie in Straßburg feierlich eröffnet. Schon am 12. Dezember, sechs Tage vor der Eröffnungsfeier, zitieren die „Straßburger Neuesten Nachrichten“ den Reichsstatthalter und Gauleiter Robert Wagner: „Der nationalsozialistische Staat braucht ein politisch gefestigtes und fachlich hochstehendes Beamtentum. Die Neugestaltung auf allen Gebieten des staatlichen Lebens legt deshalb den Beamten und Behördenangestellten die besondere Pflicht auf, das neue Recht nach Inhalt und Sinn kennen zu lernen, um in der Lage zu sein, seine Ziele in ihrem Tätigkeitsbereich in die Tat umzusetzen. Die Verwaltungs-Akademie bietet hierzu eine Gelegenheit.“ Der unmissverständliche Anspruch eines „politisch gefestigten“ Beamtentums zeigt deutlich den Fokus dieser Bildungsstätten: politisch-weltanschauliche Schulungen sollten die Beamten im Sinne der Partei erziehen.

75 DPI Tagesprogramm Lammers

Repräsentative Termine – Das geplante Programm des Reichsminister Lammers und der badischen Amtsträger rund um die Eröffnungsfeier, BArch R43/4212, Bl. 133

Die Einweihung der Akademie stellt sich als bedeutendes Ereignis dar, wie die am 18. Dezember im Horst-Wessel-Saal des Sängerhauses in Straßburg vor sämtlicher badischer Politprominenz und zahlreichen Beamten und Behördenmitarbeitern aus dem Elsass stattfindende Eröffnungsfeier zeigt. Die Teilnehmerliste der Veranstaltung führt Namen aus Verwaltung, Wirtschaft, Militär und Politik: Neben Robert Wagner waren ebenso etwa Paul Schmitthenner, der Oberlandesgerichtspräsident aus Karlsruhe Heinrich Reinle, oder Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel zum Festakt anwesend. Robert Wagner lud Reichsminister Lammers und die Begleiter der Reichskanzlei, die bereits am 17. Dezember anreisten und am Donnerstag den 19. Dezember abreisten, zum Mittagessen in die Reichsstatthalterei ein, wie aus dem minutiös geplanten Programm für den Reichsminister hervorgeht. Der neue Akademieleiter Karl Pflaumer, 1933-1945 badischer Innenminister und maßgeblich beteiligt an der „Gleichschaltung“ der badischen Verwaltung und Polizei, hielt nach der musikalischen Eröffnung der Veranstaltung das Grußwort. Auch Hans-Heinrich Lammers, der nach seinem NSDAP-Beitritt im Frühjahr 1932 als Jurist und Verwaltungsfachmann mit der Leitung der Reichskanzlei eine Schnittstelle zwischen den Reichsministerien und Hitler innehatte, trat in seiner Funktion als „Führer des Reichsverbandes Deutscher Verwaltungs-Akademien“ persönlich als Redner auf. Anders als bei den zahlreichen Neugründungen von Fortbildungseinrichtungen in den Ostgebieten habe es sich Lammers nicht nehmen lassen, persönlich zu erscheinen – „Das Elsaß nimmt von dieser Mitteilung mit großer Genugtuung Kenntnis“ ließen die „Straßburger Neuesten Nachrichten“ ihre Leser in einem ausführlichen Bericht der Eröffnungszeremonie am 19.12.1940 stolz wissen. Der Übernahme der Verwaltungspraxis im Elsass wurde im Zuge der „Besetzung“ offensichtlich große Aufmerksamkeit zuteil, wie sich auch in den Ausführungen des Reichsministers Lammers zeigt: Die Errichtung der Akademie statte die Beamten mit dem „bestmöglichen Rüstzeug für die Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben aus“, hier komme es „nicht auf das Wissen, sondern auf das Können an“, zu dem „vor allem die Tatkraft“ gehöre. Erst daraus erwachse „Charakter, praktische Erfahrung und nicht zuletzt das Wissen“.

Ein Akt der Inszenierung – Reichs- und Präsidialkanzlei bereiten die Übermittlung des Hitler-Telegramms intern vor (13. Dezember 1940), BArch R43/4212, Bl. 103

Ein Akt der Inszenierung – Reichs- und Präsidialkanzlei bereiten die Übermittlung des Hitler-Telegramms intern vor (13. Dezember 1940), BArch R43/4212, Bl. 103

In einer erschöpfenden Vorstellung der organisatorischen Ausbildungspraxis erkennt Lammers die Vorteile der Allgemeinheit „in der Erziehung des einzelnen Beamten“ durch die Akademien: Der noch „keineswegs überall ausgerottete Bürokratismus, jener Fehler der persönlichen Einstellung, der den toten Buchstaben vor das Leben, das Papier vor die praktischen Notwendigkeiten“ stelle, sei besonders für die Beamten eine Gefahr, der im Studium in den Akademien in neuem Streben begegnet werden könne. Es gehe schließlich darum, beim einzelnen „neue ethische Werte zur Entfaltung [zu bringen], die ganz in der Linie des bewährten deutschen Beamtenethos liegen.“ In Straßburg stehe zudem eine besondere Aufgabe im Fokus: „Die historische Bedeutung und Tragweite der Arbeit“ müsse den Beamten stets vor Augen stehen, denn es gelte, „im alten deutschen Elsaß das großdeutsche Reich fest zu verwurzeln“, es solle wieder ein „Kernland des Reiches“ werden. Dem Lob der Verdienste von Gauleiter Wagner und dem Akademieleiter Karl Pflaumer schließt sich ein Telegramm von Lammers an Hitler an. Nach der Verkündigung des oben zitierten Antworttelegramms des „Führers“ erklärte der Reichsminister die Akademie für eröffnet. Den Abschluss der Vorträge markierten die Ausführungen von Johann von Leers – ein fanatischer Antisemit und Schriftsteller im Dienste des Nationalsozialismus, der als Vortragender immer wieder im Kontext der Verwaltungsakademien auftaucht – über den „geschichtliche[n] Kampf um die deutschen Westlande“. Dem Schlusswort durch Pflaumer schlossen sich die bei derartigen Feierlichkeiten übliche „Führerehrung“ und Nationalhymne an. Dieser Festakt und die Reden wurden in zahlreichen Zeitungen weit über die badischen Landesgrenzen hinaus ausführlich thematisiert und erhielt damit erhebliche Aufmerksamkeit – Hans-Heinrich Lammers schrieb am 20. Dezember in seinem Dankschreiben an Pflaumer: Die Eröffnungsfeier in ihrem „überaus eindrucksvollen Rahmen und Verlauf“ würde ihm „stets in besonders angenehmer Erinnerung bleiben.“

75 DPI Schreiben Dank Lammers

Im Nachgang der Eröffnungsfeierlichkeiten sandte Hans-Heinrich Lammers auch an den Chef der Zivilverwaltung im Elsass Robert Wagner ein Dankschreiben (20. Dezember 1940) , BArch R43/4212, Bl. 147

Dieser Festakt bietet interessante Einblicke in einen Gründungsakt derartiger Beamtenbildungseinrichtungen im „Dritten Reich“ und besonders die Ausführungen von Hans-Heinrich Lammers eröffnen neben der erwarteten inhaltlichen Arbeit in dieser Akademie einerseits Einblicke in die gestellten Ansprüche und Erwartungen, die an die Beamten herangetragen wurden. Zugleich deuten sich aber in diesen Formulierungen des Reichsministers auch das Selbstverständnis und der Berufsethos der Beamtenschaft an. Andererseits wird zugleich die besondere Rolle des Standortes Straßburg hervorgehoben, in der die Beamtenschaft besondere Aufgaben zu erfüllen habe. Besonders interessant scheint vor diesem Hintergrund zu sein, ob und wenn ja, wie sich die Arbeit in der Akademie diesem Anspruch stellte.

Quelle:

Bundesarchiv R43/4212, Reichskanzlei: Eröffnung der Verwaltungsakademie Straßburg am 18. Dezember 1940

Der Nationalsozialist als guter Patriot: Karl Pflaumer, badischer Innenminister

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GLA Karlsruhe 465 a/51 Nr. 68/1032

Am 10. März 1933 wurde der badische Polizeibeamte Gustav Walther zu Innenminister Karl Pflaumer vorgeladen. Was er dort erlebte, beschrieb er später als Zeuge im Spruchkammerfahren gegen Pflaumer so: „Ich wurde geschlagen und getreten. Vor einer Zimmertür bekam ich  einen sehr starken Faustschlag von hinten in das Gesicht, so dass ich an die Wand taumelte, und dann flog ich in das Zimmer, in dem sich Pflaumer und einige mir unbekannte SS- und SA-Leute befanden. Pflaumer gab ein Zeichen und es fassten mich etwa 5 Uniformierte und warfen mich zur Tür hinaus.  Ich wurde in den Leib, in das Gesäß getreten, nach der Treppe geschleppt und diese hinuntergeworfen. Ich blutete aus fast allen Löchern, die ein menschlicher Körper aufweist. Da ich ziemlich schwer verletzt war und immer wieder zusammenbrach, zog man mich wieder empor und schlug weiter auf mich ein. Hierbei bemerkte ich, dass mir einige Zähne ausgeschlagen waren. Wer sich im einzelnen an den schweren Misshandlungen beteiligt hat, vermag ich nicht anzugeben, verantwortlich mache ich hierfür Pflaumer allein.“ Nach mehrwöchiger Haft wurde Walther aus dem Staatsdienst entlassen.

Was war der Grund für diese brutale Misshandlung?

Karl Pflaumer und Gustav Walther waren einst als Polizisten in Heidelberg Berufskollegen gewesen. Pflaumer sympathisierte mit dem rechtsextremen politischen Spektrum seiner Stadt. Im März 1928 nahm er an einer geschlossenen Versammlung der NSDAP mit Hitler teil und fiel den Polizisten auf, die die Versammlung überwachten. Gegen Pflaumer wurde eine Untersuchung eingeleitet, die mit der Versetzung in den Revierdienst endete. 1929 wurde er in den Ruhestand entlassen. Sehr bald danach trat Pflaumer der NSDAP bei. In der Untersuchung gegen ihn im Jahr zuvor hatte er noch abgestritten, der Weltanschauung der NSDAP zuzuneigen. Pflaumer wurde nun ihr Organisationsleiter in Heidelberg. Bei den Kommunalwahlen 1930 gewann er einen Sitz im Gemeinderat. In den Jahren bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme tat Pflaumer sich als gehässiger Propagandist hervor, auch gegen seine ehemaligen Polizeikollegen. Gustav Walther hatte zu den Polizeibeamten gehört, die die Aktivitäten der NSDAP in ihrer sog. „Kampfzeit“ in Heidelberg vor 1933 beobachteten. Er leitete die Untersuchungen gegen Pflaumer. Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 war die Zeit der Vergeltung gekommen.

Zwölf Jahre später wendete sich das Blatt erneut. 1945 geriet Pflaumer in französische Internierung. Im Mai 1948 wurde er den deutschen Behörden übergeben und musste sich vor der Zentralspruchkammer Karlsruhe verantworten. Am 11. August 1949 beantragte der öffentliche Kläger bei der Zentralspruchkammer, Pflaumer in die Gruppe der Hauptschuldigen einzureihen. Zur Begründung wurde auf seine Mitgliedschaften und Ämter in der NSDAP, der SA, der Allgemeinen SS, der NSV und im Verein Lebensborn e.V. hingewiesen sowie auf seine Position als Innenminister. Pflaumer sei verantwortlich für die Misshandlung von Gustav Walther und Anderer und für die Verbringung von NS-Gegnern in das Lager Kislau. Pflaumers Anwalt Caemmerer konterte geschickt auf diese Vorwürfe. Formal sei Pflaumer zwar aufgrund seiner Ämter belastet, aber er habe diese nicht wirklich ausgefüllt. Als Redner habe Pflaumer zwar den Nationalsozialismus unterstützt, aber er habe nie öffentlich Gewalt gerechtfertigt. Dass Pflaumer persönlich an der Misshandlung Walthers beteiligt gewesen sei, wies Caemmerer zurück. Die Inhaftierung von NS-Gegnern ohne Gerichtsurteil in Kislau sei rechtens gewesen aufgrund der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat. Caemmerer stritt nicht ab, dass Pflaumer sich vor 1933 propagandistisch für die NSDAP hervorgetan habe. Aber das sei nun eben einmal so im politischen Diskurs. Caemmerer schloss seine Ausführungen mit dem Argument, es reiche nicht aus, „auf formale Daten oder einige Episoden abzustellen“, sondern man müsse Zeugen heranziehen, die Pflaumer eng gekannt haben. 32 solcher Zeugenaussagen legte Caemmerer vor. Darunter befanden sich zwei amtierende Minister der Landesregierung von (Süd-)Baden, Alfred Schühly und Hermann Fecht. Die Argumentation Caemmerers zielte darauf ab, mit Hilfe der Zeugen zu belegen, dass Pflaumer ein Verfechter des sachlich arbeitenden Berufsbeamtentums gewesen sei.

Am 14. Januar 1950 fand die öffentliche Sitzung der Spruchkammer statt. Aufschlussreich ist die Äußerung, die Pflaumer zu seiner Haltung zum Antisemitismus gab: „Ich war Antisemit, das gebe ich zu. Gegen den einzelnen Juden war ich tolerant und loyal“. Sein Schlussplädoyer lautete: „Ich habe nie bestritten, dass ich Nationalsozialist gewesen bin. Ich war mein Leben lang ein guter Patriot und das werde ich auch bleiben.“ Pflaumer gab also nur das zu, was er gar nicht bestreiten konnte: Antisemit und Nationalsozialist gewesen zu sein. Aber er leugnete jede Verstrickung in die Verbrechen des „Dritten Reichs“. Den Wirkungszusammenhang zwischen antisemitischer Propaganda und ausgelebtem Judenhass hat er nicht sehen oder nicht zugeben wollen. Und der Nationalsozialismus war für ihn nichts weiter als eine Form von Patriotismus.

Es mutet aus heutiger Sicht seltsam an, dass die Zentralspruchkammer diese Äußerungen nicht problematisierte. Pflaumer wurde in die zweithöchste Kategorie, in die Gruppe der Belasteten, eingruppiert und zu vier Wochen Sonderarbeit verurteilt, die aber bereits verbüßt war durch die Internierungshaft. Außerdem sollte 10 % seines Vermögens eingezogen werden. Zur Begründung wurde u.a. angeführt, Pflaumers formale Belastung sei unstrittig, aber eine persönliche Beteiligung an Gewalttaten sei nicht nachweisbar. Zudem sei Pflaumers Einfluss als Innenminister wegen der starken Stellung des Parteiapparates und der Zentralisierung von Verwaltungskompetenzen in Berlin begrenzt gewesen.

Im März 1950 legten sowohl der öffentliche Kläger als auch Pflaumer Widerspruch gegen das Urteil ein. Während Pflaumer sich zu hart bestraft fühlte, wollte der Kläger seine Einstufung als Hauptschuldiger erreichen mit dem Argument, es sei „nicht erforderlich, dem Betroffenen persönliche Uebergriffe nachzuweisen, denn er haftet für die Uebergriffe seiner ihm unterstellten Organe“. Am 4. Januar 1951 wies die Zentralberufungskammer beide Widersprüche zurück: „Aus zahlreichen Zeugnissen ergibt sich, dass der Betroffene sich bemüht hat, den rechtsstaatlichen Gedanken in seiner Verwaltung aufrecht zu erhalten.“ Die von Pflaumer geforderte Herabstufung sei nicht möglich wegen des hohen Maßes seiner Verantwortlichkeit.

Wie kann man diesen Ausgang werten? Die Berufungskammer wie auch die Zentralspruchkammer maßen dem Faktor der persönlichen Schuld höheren Wert zu als dem der politischen Verantwortung. Beide Kammern berücksichtigten nicht die Rolle des Innenressorts bei der Deportation der badischen Juden nach Gurs. Dass die gesamte Gesundheitsverwaltung Pflaumers Ministerium unterstand, wurde ebenfalls nicht gewürdigt: das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten hätte ohne das Mitwirken von Verantwortlichen in diesem Verwaltungszweig nicht durchgeführt werden können. In Pflaumers Amtszeit fielen die politische Säuberung der kommunalen Verwaltungen sowie das Vorgehen gegen KPD, SPD, Gewerkschaften, christliche, jüdische und andere Organisationen.

In den Jahren nach dem Urteilsspruch erreichte Pflaumer in einem zähen Ringen eine schrittweise Milderung der Sühneauflagen. Die Begründung, mit welcher 1954 ein Antrag Pflaumers auf Umstufung in eine günstigere Gruppe auf dem Gnadenweg abgelehnt wurde, kann als Fazit des gesamten Verfahrens gelten: „Wenn Pflaumer bei dieser individuellen Belastung nicht Hauptschuldiger sondern Belasteter wurde, so hat er Glück gehabt.“

 

Weiterführende Literatur:

Pralle, Norma: Zwischen Partei, Amt und persönlichen Interessen: Karl Pflaumer, badischer Innenminister, in: Michael Kißener, Joachim Scholtyseck (Hrsg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 2), Konstanz 1997, S. 539-566.

Kriegsteilnehmer, jung, Parteigenosse. Bemerkungen zu den badischen Ministern

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„Der Führer“, 15. Mai 1933, S. 1.

„Ein alter PG kann alles!“ Mit diesem Satz soll der Reichskommissar und spätere Reichsstatthalter von Baden, Robert Wagner, die Bedenken Walter Köhlers, der sich der ihm zugedachten Aufgabe als künftiger Leiter des badischen Finanzministeriums nicht gewachsen fühlte und diese zunächst ablehnte, beiseite gewischt haben. So schilderte es zumindest der ehemalige badische Ministerpräsident und Finanz- und Wirtschaftsminister in seinen in den 1970er Jahren verfassten Lebenserinnerungen und attestierte Wagner dabei zugleich „eine glückliche Hand“ in Personalfragen.

Die Personalpolitik Wagners soll hier nicht weiter bewertet werden, betrachtet man aber die von ihm ernannten Mitglieder der neuen badischen Regierung, fallen mehrere Gemeinsamkeiten auf. So waren alle drei nationalsozialistischen Minister alte und „verdiente“ Parteigenossen, die lange vor 1933 in die NSDAP eingetreten waren. Ihre verhältnismäßig niedrigen Parteimitgliedsnummern sprechen für sich: Die höchste war noch die des neuen Innenministers Karl Pflaumer, der 1930 eingetreten war und die Mitgliedsnummer 182.152 erhalten hatte; wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung war er 1929 übrigens aus dem Polizeidienst entlassen worden. Kultusminister Dr. Otto Wacker, der die NSDAP-Ortsgruppe Offenburg bereits 1924 gegründet hatte, war Mitglied Nummer 22.948; er hatte die Schriftleitung des badischen Parteiorgans „Der Führer“ innegehabt. Köhler konnte mit der Nummer 8.246 sogar eine nur vierstellige Mitgliedsnummer vorweisen; er war 1925 in die Partei eingetreten und hatte die Ortsgruppe Weinheim aufgebaut, außerdem hatte er als Vorsitzender der NSDAP-Landtagsfraktion und Stellvertretender Gauleiter des Gaus Baden fungiert. Diesen Gau hatte Wagner Anfang 1925 gegründet; sein Parteibuch verzeichnete die Mitgliedsnummer 11.540.

Gemeinsam war den drei Ministern auch ihre badische Herkunft und Verwurzelung. Während Pflaumer und Köhler beide aus Nordbaden, nämlich Rauenberg/Wertheim und Weinheim, stammten, vertrat Wacker als Alemanne aus Offenburg den südbadischen Raum. Auf diese Ausgeglichenheit hatte der Reichsstatthalter, als gebürtiger Eberbacher selbst ein „Sohn unserer badischen Heimat“, wie Köhler in seiner Begrüßungsansprache an Wagner beim Staatsakt zu dessen Einsetzung am 8. Mai 1933 hervorhob, bei der Regierungsbildung geachtet.

Eine geteilte Erfahrung stellt außerdem der Erste Weltkrieg dar, an dem alle drei Minister ebenso wie der Reichsstatthalter als Kriegsfreiwillige teilgenommen hatten. Wie Wagner hatte auch Pflaumer dafür seine Lehrerausbildung abgebrochen, während Köhler bei Kriegsausbruch gerade seine Banklehre abgeschlossen und Wacker sich nach seinem Kriegsabitur 1917 freiwillig gemeldet hatte. Köhler und Pflaumer waren im Lauf des Krieges in britische beziehungsweise französische Kriegsgefangenschaft geraten.

Bei all dem, was die badischen Minister an soldatischen Pflichten für das Vaterland und im Kampf für die „nationale Erhebung“ bereits vor 1933 „geleistet“ hatten, ist der Begriff „alter PG“ mit Blick auf ihr Lebensalter dennoch keineswegs wörtlich zu verstehen. Mit 33, 35 und 36 Jahren – Wacker war im Jahr 1899 geboren, Köhler 1895 und Pflaumer 1896 – waren die drei nationalsozialistischen Politiker eher jung, als sie ihre Ministerämter im Mai 1933 antraten. Auch der Reichstatthalter war mit 37 Jahren nur geringfügig älter. Zum Vergleich: In der Riege der württembergischen NS-Minister gehörte nur Wirtschaftsminister Oswald Lehnich, Jahrgang 1895, dieser Altersklasse an. Ministerpräsident und Kultminister Christian Mergenthaler, Innen- und Justizminister Jonathan Schmid und Finanzminister Alfred Dehlinger hingegen waren mit Jahrgang 1884, 1888 und 1874 deutlich älter, nämlich 48, 45 und 58 Jahre alt. Die Mitglieder der badischen Vorgängerregierung wiederum waren bis auf den im Jahr 1892 geborenen Finanzminister Dr. Wilhelm Mattes alle bereits in den 1870er Jahren zur Welt gekommen: Staatspräsident und Justizminister Dr. Josef Schmitt 1874, Innenminister Dr. Erwin Umhauer 1878 und Kultusminister Dr. Eugen Baumgartner 1879. Als sie 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt wurden, waren sie also 58, 54 und 53 Jahre alt; Mattes stand in seinem 41. Lebensjahr.

Aus dem vergleichsweise jungen Altersprofil der badischen NS-Minister ergibt sich auch ein Spannungsverhältnis zu den ihnen unterstellten Ministerialbeamten. Denn als langjährige Staatsdiener waren diese zum Teil erheblich älter als ihre Vorgesetzten. Ob und inwiefern dies auch Auswirkungen auf Abläufe und Entscheidungen innerhalb der badischen Landesverwaltung hatte, wird sich im Verlauf des Forschungsprojekts zeigen.

Quellen:

Walter Köhler, Erinnerungen, 19. Juli 1976, in: Stadtarchiv Weinheim Rep. 36 Nr. 4298, S. 127
Der Führer, 9.5.1933

Furchtlos und treu. Zur Geschichte einer Devise 1817-1952

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Im Juni 1933 schreibt Konrad Graf von Degenfeld als Vorsitzender des Bundes für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern einen Brief an das Württembergische Staatsministerium. Nachdem die „nationale Revolution“ in so vielen Bereichen die ursprünglichen Verhältnisse vor der anderen Revolution 1918 wiederhergestellt habe, bitte er darum, dies auch beim Wappen des Landes zu tun, insbesondere durch die Wiederaufnahme der Devise „Furchtlos und trew“. Degenfeld hat Glück, denn in der Villa Reitzenstein, dem Amtssitz des Staatsministeriums, residieren seit der in Württemberg im Frühjahr in mehreren Phasen vollzogenen „Machtergreifung“ nun gleich zwei nationalsozialistische Herren, Ministerpräsident Mergenthaler und ihm übergeordnet sein Rivale, Gauleiter und Reichsstatthalter Murr. Zwischen ihnen aber amtierte seit 1919 als Vertreter der Kontinuität der wirkliche Staatsrat Dr. Leopold Hegelmaier. Er hatte dem letzten König und vier Staatspräsidenten gedient und stand nun kurz vor der Pensionierung. Der Staatsrat veröffentlichte eine Denkschrift zu den „Staatsformen“ Monarchie, Demokratie und Diktatur (1925) und leitete die Kommission zur Ausarbeitung einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg, deren rechtsstaatliche Ambitionen sich selbstbewusst neben das Werk von Bill Drews und anderen Reformern in Preußen stellten. Sie wurde 1931 zwar publiziert, aber nicht mehr in Kraft gesetzt. Mit dem Ende des Rechtsstaats 1933 war Hegelmaiers juristisches Meisterstück obsolet. In seinen Erinnerungen unter dem charakteristischen Titel „Beamter und Soldat“ (1937) hat er beschrieben, was nun geschah. Durch den Brief des Grafen bot sich die Gelegenheit, in die Symbolpolitik ausweichend noch ein Zeichen zu setzen. Die Akten des Staatsministeriums zeigen, wie effektiv und konsequent es Hegelmaier verstand, binnen weniger Wochen die Zustimmung eines an der Sache wenig interessierten Kabinetts und des Reichsstatthalters zu erreichen. Die Nationalsozialisten achteten nur darauf, monarchistische Ausschmückungen der Heraldiker zu vermeiden, sie ließen die Devise selbst aber passieren. Schon am 18. August wird das neue Wappen als Gesetz verkündet

Es hatte eine andere Bedeutung, als der Anlass vermuten lässt, also die Bitte des Heimatschutzes um Restitution eines monarchischen Wappens, das 1918 mit der Abdankung des letzten Königs durch eine möglichst nüchterne Behelfssymbolik ersetzt worden war, nachdem es viele Jahrzehnte vor allem die Traditionspflege konservativer Kriegerverbände begleitet oder die Titelseiten patriotischer Anthologien geschmückt hatte. Denn ursprünglich war „furchtlos und treu“ viel mehr als eine Parole gewesen. Es war die Gründungsformel der schwäbischen Nation, die den Pakt zwischen Volk und Monarch besiegelte, allein erklärlich aus den besonderen Umständen ihrer Entstehung, den Gründungsjahren des Königreiches zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, Hermann Hesses Wort gilt sicher auch für die schwierige Geburt des modernen Württemberg. 1817, zwei Jahre nach dem Ende Napoleons, befand sich das Land in heftigsten Auseinandersetzungen mit seinem Monarchen. Formal hatte Friedrich I. „Neu Württemberg“ als Königreich 1805 begründet, aber nun ein Jahrzehnt später stand sein junger, mit einer russischen Prinzessin verheirateter Sohn und Nachfolger Wilhelm I. nach der blutigen Überwindung des französischen Imperators vor fast unlösbaren inneren Problemen. Der Hungersommer 1816, ausgelöst durch die klimatischen Folgen eines Vulkanausbruchs in Indonesien, ließ das von den jahrelangen Kriegen ohnehin geschwächte Land verelenden. Die Patrioten verlangten nach einer Verfassung, der Teilhabe an der Macht, und rührten damit an das Urproblem württembergischer Identität, das Verhältnis zwischen herzoglicher Autorität und bürgerlich-bäuerlicher Partizipation, in dieser Kernlandschaft des reichständischen Liberalismus von jeher offener und früher thematisiert als anderswo. Lange Zeit war Menschen, die überleben wollten, nur die Lösung geblieben, sich durch Flucht oder Auswanderung eine „andere Heimat“ (Edgar Reitz) zu suchen. Aber es gab eine Alternative, den konstruktiven Staatsaufbau als gemeinsames Projekt des Königs und seiner Untertanen. Wilhelm I. fand ihn, zunächst durch die Gründung eines landwirtschaftlichen Vereins (mit dem Cannstatter Volksfest am Geburtstag des Königs) und der landwirtschaftlichen Musteranstalt (der heutigen Universität Hohenheim). Königin Katharina förderte die Bildung des Wohltätigkeitsvereins, aus dem indirekt auch die Württembergische Sparkasse hervorgegangen ist, und gründete das Katharinenstift, die Höhere Mädchenschule. Diese organisatorischen Initiativen haben die Lage des Landes bereits vor der Industrialisierung entscheidend verbessert. Zur Besiegelung der gegenseitigen Verpflichtung auf gemeinsame Ziele bedurfte es aber noch eines Symbols. Es sollte der anderen Seite als Signal dienen, ohne doch (im Jahr des Wartburgfestes) eine politische Konzession des Königs zu bedeuten. Sein Hof hatte ihm dazu Vorschläge unterbreitet, aus denen er sich Ende November 1817 die Devise seines Wappens erwählte (Ernst 2010). Darunter war auch die Wortkombination „Furchtlosigkeit und Treue“ gewesen, deren Herkunft nun aus anderen Quellen erkennbar wird. Im April des Jahres hatte nämlich Ludwig Uhland seiner Verzweiflung über das drohende Scheitern des Verfassungskonflikts im „Gebet eines Württembergers“ Ausdruck verliehen und darauf ein unbekannter Freund eine in ihrem Pathos fast ungeheuerliche Antwort publiziert, in der sich die Strophe findet: „Du wirst“, so sprecht, „nicht vorenthalten, was aller Herzen flehn zurück; du wirst, o König, treu verwalten des Volks dir anvertrautes Glück, das für dich freudig in die Schlachten stürmte und furchtlos Leichen über Leichen türmte.“

Der gleich zu Beginn seiner Regentschaft vor die schwerste Bewährungsprobe gestellte Monarch adaptierte die Botschaft und machte sich die Devise zu eigen, seither von den begeisterten Patrioten unermüdlich an den zunächst symbolisch geschlossenen und 1819 dann auch tatsächlich in einer Verfassung bekräftigten Bund erinnert. Als erster wagte es Uhlands Freund Gustav Schwab, im Jahre 1823 bei der Geburt des neuen Kronprinzen, des späteren Königs Karl I. „im Namen des Stuttgarter Gymnasiums“ die Devise als Mahnung zu verwenden. Karl ist der Sohn der dritten Königin Pauline. Katharina war bereits 1819 verstorben, nicht ohne Mitschuld ihres Mannes, der es mit der ehelichen Treue nicht so genau genommen hatte. „So mögen sich der Mutter Sorgen bezahlen an dem Theuren Sohn; Mit Deinem Volk ist Gottes Segen, Er geht getrost der Ferne zu; Auch wir, wir wachsen ihr entgehen, So furchtlos und so treu wie Du!“

Ein Jahr später ist es Wilhelm Hauff, der kurz vor Antritt seiner Hauslehrerstelle beim Kriegsminister Ernst Eugen Freiherr von Hügel eine Sammlung patriotischer „Kriegs- und Volks-Lieder“ publiziert, in der sich von ihm selbst das Gedicht „Prinz Wilhelm“ findet, nun wiederum ganz auf den Vater und scheinbar nur auf dessen militärische Leistungen bezogen, die pathetisch nacherzählt werden, doch am Ende findet sich mitten in der Devise die Mahnung wieder: „Denn als König zieht der Ritter Nun voraus in’s Schlacht-Gewitter. Furchtlos, wie sein Wort, und treu.“ Als etablierter Autor zitierte Hauff in seinem Geschichtsroman „Lichtenstein“ (1827) gleich zweimal die Devise, zunächst im Sinne des Herzogs, als dieser im obligaten Tapferkeitsdiskurs seine Soldaten lobt. Aber dann erlaubte sich Hauff eine Variation, indem er die subtile Korrespondenz von 1817 in einen realen Dialog verwandelt und das Zitat teilt. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Esslingen hat sich Ulrich auf der Flucht in der Nebelhöhle verborgen. Als er aus dem Schlaf erwacht, unterhalten sich seine Begleiter am Lagerfeuer über die Unruhen des „Armen Konrad“ wenige Jahre zuvor, an denen einer von ihnen, der Pfeifer von Hardt, selbst beteiligt gewesen war. Der Herzog beginnt zu zweifeln, ob seinem Haus je der erhoffte Aufstieg zum Königtum gelingen werde, worauf ihn Ritter von Schweinsberg an den bereits zurückgelegten Weg vom Landadligen zum Herzog erinnert. Doch die Verheißung der Zukunft legt Hauff dem einfachen Untertanen in den Mund. „’Wohlan, so will ich hoffen’, erwiderte Ulerich von Württemberg, ‚…daß Uns das Land verbleibe… Mögen Unsere Enkel nie so harte Zeiten sehen wie Wir, möge man auch von ihnen sagen, sie sind – furchtlos!’ ‚Und treu!’ sprach der Bauer mit Nachdruck…“ (S.388)

Das Symbol der gegenseitigen Treueverpflichtung zwischen König und Untertan, die aus Not und Krise geborene Losung entwickelte im Alltag des 19.Jahrhunderts eine gewisse Eigendynamik, die den Übergang in den zuweilen recht trivialen Normalzustand als kulturelles Instrument signalisiert. Mit der Stabilisierung und Prosperität des Königreichs wird „furchtlos und treu“ zum Musterbeispiel einer „invention of tradition“ (Hobsbawm), wie sie aus der angelsächsischen und europäischen Nationenbildung geläufig ist. Die Bildung staatlicher Identität verknüpft sich mit allen möglichen Konnotationen, sie verallgemeinert das Gründungssymbol, das nun in patriotischen, literarischen und heimatkundlichen Anthologien, in der Traditionspflege des Militärs und auf den Koppelschlössern der Soldaten Verwendung findet. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg versucht sich sogar der Expressionismus dramaturgisch an „Furchtlos und treu“ (Hermann Essig 1911), im Krieg liest dann der Stuttgarter Hofprediger unter dem Motto aus dem Johannisevangelium über die Liebe Gottes (Konrad Hoffmann 1916). Auch im „Dritten Reich“ setzte sich diese Verwendung natürlich fort, wieder erscheinen Anthologien unter dem Titel „Furchtlos und treu“, ein Vortrag des Tübinger Juristen Hans Gerber zur Eröffnung der Verwaltungsakademie im Oktober 1933 gipfelt in der Anrufung des Wappenspruches und kurz vor dem Untergang steht er im April 1945 als „Parole aller Schwaben“ sogar noch einmal auf der Titelseite des NS-Kuriers, der Stuttgarter Tageszeitung des Gauleiters Murr.

All dies konnte die Integrität des Symboles aber nicht berühren, als es 1945 einmal mehr darum ging, einen Neuaufbau aus Ruinen zu wagen. Schon Anfang September wählte sich die wiederbegründete Stuttgarter Freimaurerloge „Furchtlos und treu“ zum Namen, die auf dem Boden ihrer Vorgängerinnen „Zu den 3 Cedern“ und „Wilhelm zur aufgehenden Sonne“ (gegr.1835) entstand und zugleich im Namen an eine frühere Loge in Heilbronn (gegr.1909) anknüpfte. Zu ihren Mitgliedern gehörten der Ministerpräsident des neugebildeten Landes Württemberg-Baden Reinhold Maier (FDP) und der Lizenzträger der Stuttgarter Nachrichten Konsul Henry Bernhard, der einstige Sekretär Gustav Stresemanns. Wurde hier die württembergische Devise unter Zustimmung des amerikanischen Gouverneurs William Dawson gleichsam privatisiert und unter exklusiven Schutz gestellt, wohl auch um die Vereinigung mit den badischen Nachbarn zu ermöglichen, so bleibt sie, bis heute fast unbeachtet, südlich der Autobahn, im französisch besetzten Land Württemberg-Hohenzollern in Kraft. Dort amtierte nun der sozialdemokratische Staatsrat Prof. Carlo Schmid, und er hatte im Unterschied zu seinen Vorläufern 1918/19 keine Bedenken das Wappen in der seit 1933 gültigen Form sowohl auf dem (Gründungs-)Statut seines Staatssekretariats 1945 als auch auf den folgenden staatlichen Dokumenten erscheinen zu lassen, besonders eindrucksvoll auf der Ernennungsurkunde für Staatspräsident Gebhard Müller (CDU) von 1948, nach Reinhold Maier ab 1953 zweiter Ministerpräsident des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg:

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Erst mit dessen Errichtung 1952 endet die offizielle Karriere der Devise, die von Anfang an nicht nur ein royalistisches Motto gewesen war, sondern das Symbol des beiderseitigen Willens zur gelebten guten Verfassung, eine staatspolitische Chiffre von hoher gesellschaftlicher Akzeptanz, die im Zeitalter der Zäsuren wie so vieles das Schicksal der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen erfuhr.

 

Nachtrag

Nach Abschluss des Artikels wurde im Hauptstaatsarchiv Stuttgart entdeckt, dass im Herbst 1945 eine dem Innenministerium zugeordnete Behörde, das unter der kurzzeitigen französischen Besatzung Stuttgarts eingerichtete „Amt für Wiedergutmachung der Folgen des Naziterrors“, mit vermutlich selbst gefertigten Briefköpfen arbeitete, auf denen jeweils das württembergische Wappen mit der Devise erschien. Der Leiter dieses in der Literatur durchaus bekannten Amtes, der 1935 emigrierte und nun zurückgekehrte Dr. Franz Fischer, konfrontierte Ministerpräsident Maier anlässlich seines Amtsantritts mit der Forderung, ihm einen eigenen Etat über eine Million Reichsmark zu geben, um NS-Opfer zu entschädigen. Maier konnte oder wollte weder diesen Wunsch noch jenen nach einem Gesetz zur Wiedergutmachung erfüllen, das Fischer als alternative Grundlage seiner Tätigkeit vorschlug. Es kam zum Streit, wobei wiederum auch ein Staatsrat eine Rolle spielte, Maiers rechte Hand, der Buchhändler Konrad Wittwer (FDP). Im Zuge der Neuordnung der Regierung unter Einbindung badischer Minister wurde das Amt dann wenige Wochen später aufgelöst, Personal und Zuständigkeit auf die Ministerien verteilt, der Leiter entlassen. Zur Abwicklung des Intermezzos aber verwendete man nun auch im Innenministerium selbst für ein offizielles, wenngleich internes Schreiben an das Staatsministerium vom 24. November 1945 noch einmal Briefpapier – mit der Devise „Furchtlos und treu“.

 

 

Literatur

Karl Steiff und Gebhard Mehring (Hrsg.): Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs. Stuttgart 1912

Gustav Schwab: An Denselben (Seine Majestät den König Wilhelm von Württemberg) Bei der Geburt des Kronprinzen 1823.

Wilhelm Hauff: Prinz Wilhelm, in: Kriegs- und Volks-Lieder. Stuttgart 1824

Wilhelm Hauff: Lichtenstein. Romantische Sage aus der württembergischen Geschichte. Stuttgart 1988.

Regierungsblatt für Württemberg Nr.44 vom 18. August 1933

Hans Gerber: Politische Erziehung des Beamtentums im Nationalsozialistischen Staat, Tübingen 1933

Leopold Hegelmaier: Beamter und Soldat 1884-1936. Lebenserinnerungen. Stuttgart 1937

Nachlass Gebhard Müller HStAS Sign. Q 1/35 Bü 1069

Albrecht Ernst: Furchtlos und treu. Beobachtungen zur Entstehung der württembergischen Wappendevise, Rundbrief des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins Nr.10 – Oktober 2010.

HStA Stuttgart Staatsministerium Sign. EA 1/920 Bü. 709

Constantin Goschler: Wiedergutmachung. Westdeutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus 1945-1954. München/Wien 1992

 

Dank an Albrecht Ernst, Judith Bolsinger und Eberhard Merk


Die Landesministerien im nationalsozialistischen Patronagegeflecht. Der Karlsruher Ministerialrat Herbert Kraft als Ansprechpartner für Wünsche von Parteigenossen

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GLA Karlsruhe 231 Nr. 2937 (982)

Herbert Kraft, GLAK 231 Nr. 2937 (982)

Die Parteibuchwirtschaft ist kein genuines Kennzeichen der nationalsozialistischen Herrschaft, da es parteipolitisch motivierte persönliche Gunsterweisungen staatlicher Stellen auch in anderen Ländern, zu anderen Zeiten und in ganz anders beschaffenen politischen Systemen gegeben hat und immer noch gibt. Gleichwohl trieb die Parteibuchwirtschaft in Deutschland nach 1933 eine außergewöhnlich große Blüte infolge der besonderen Umstände von Machtübernahme und Gleichschaltung: Die durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 ermöglichten oder durch offene Willkürakte herbeigeführten Entlassungen im öffentlichen Dienst und anderen Beschäftigungsbereichen boten großen Spielraum für ein Personalrevirement nach parteipolitischen Kriterien, und die scharfe ideologische Trennung zwischen den Angehörigen der „Volksgemeinschaft“ und den von ihr Ausgegrenzten konnte jederzeit dafür herhalten, vermeintlich verdienten Parteigenossen eine besondere Förderung zuteilwerden zu lassen.

Die Zahl der Akteure im System der Parteibuchwirtschaft war hoch, und der Einfluss der einzelnen Akteure hing maßgeblich von ihrer Stellung innerhalb des schwer durchschaubaren Beziehungssystems von Partei- und Staatsämtern ab. Zu den Figuren, die in beiden Bereichen gut vernetzt waren und deshalb häufig zum Ansprechpartner für Protektionswünsche wurden, zählte in Baden Herbert Kraft: Der Pforzheimer Gymnasialprofessor, wegen seines rechtsradikalen politischen Engagements mehrfach dienstrechtlich gemaßregelt, war ein früher Aktivist der NSDAP. Seit 1929 gehörte er der Landtagsfraktion der NSDAP an und erwarb sich als Abgeordneter zweifelhaften Ruhm als fleißiger Sammler von Ordnungsrufen und durch den mehrfachen Ausschluss von den Sitzungen, unter anderem wegen körperlicher Übergriffe auf Abgeordnete der Zentrumspartei. Dieser Karriere als parlamentarischer Provokateur zum Trotz wurde Kraft von dem gleichgeschalteten Landtag im Mai 1933 zu seinem Präsidenten gewählt. Nach der Abschaffung des badischen Landtags 1934 setzte er seine parlamentarische Laufbahn als Abgeordneter des nach einer Einheitsliste gewählten Reichstags fort. Weitere Funktionen nahm er als badischer Gauführer des Reichsbundes für Leibesübungen, im Deutschen Luftsportverband  und später im Nationalsozialistischen Fliegerkorps wahr. Sein berufliches Auskommen hatte Kraft seit April 1933 im badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts, wo er – selbst ein Profiteur des politischen Personaltausches – als Ministerialrat die Abteilung Höhere Schulen leitete.

In welcher seiner Funktionen, in welchem Ausmaß und in welchen Formen sich Kraft an der Parteibuchwirtschaft  beteiligt hat, lässt sich der Natur der Sache nach im Detail nicht rekonstruieren. Dass zumindest zeitweilig Protektionswünsche in größerer Zahl an ihn herangetragen wurden, lässt sich allerdings anhand eines Aktenfaszikels illustrieren, das offenkundig nur zufällig in den Beständen des badischen Kultusministeriums überliefert ist, die im Karlsruher Generallandesarchiv aufbewahrt werden. Es umfasst auf mehr als 300 Seiten Bittbriefe, die im Jahr 1938 unter Angabe seiner Karlsruher Dienstadresse an Kraft geschickt wurden. Die Anliegen waren sehr vielfältig: Ein Mannheimer Kriminalkommissar bat Kraft, sich bei der Gauleitung der NSDAP für seine Beförderung zu verwenden; für einen alten Regimentskameraden sollte er sich bei der Ettlinger Gemeindeverwaltung für den Erwerb eines Wandergewerbescheins sowie für die Genehmigung der Errichtung einer Verkaufsstelle einsetzen, die dem mehrfach vorbestraften Bittsteller verweigert worden waren;  ein Parteifreund schließlich schrieb Kraft im Namen seiner Tochter, die die Lagerführerin eines Arbeitsdienstlagers in Ostpreußen wegen deren gleichgeschlechtlicher Neigungen denunzierte.

Häufig intervenierte Kraft zugunsten der Bittsteller, mitunter zog er sich aber auf die Position der Nichtzuständigkeit zurück. Dies tat er zum einen, wenn die Bitten seine Dienststellung im Kultusministerium ganz direkt berührten, etwa im Falle einer Parteifreundin, die um Unterstützung für ihren Bruder nachsuchte, der sich vor seiner externen Abiturprüfung bange „wie ein Kannickel“ und dem Kraft Hinweise geben möge, „was so sehr beliebte Themen“ seien. Zwar informierte sich Kraft über den Prüfling und zeigte sich zuversichtlich, dass er das Abitur schaffen werde. Einfluss konnte er jedoch nicht nehmen, „da ein anderer Kommissar für die Prüfung bestimmt ist. Aber selbst wenn ich sie abnehmen würde, müsste ich natürlich ganz unparteiisch handeln“. Immerhin aber bot Kraft an, dass sich der Bruder direkt an ihn wenden dürfe, falls er wider Erwarten doch Schwierigkeiten haben solle.

Zum anderen konnte die Nichtzuständigkeit zum Argument werden, wenn der Bittsteller kein persönlich bekannter Parteigenosse war oder das Anliegen offenkundig der Plausibilität entbehrte. Beides scheint im Falle eines Karlsruher Schuhmachers zusammengekommen zu sein, der im Januar 1938 dem Ministerialrat schrieb, aber offensichtlich den Sportfunktionär ansprechen wollte: Als einem der besten badischen Gewichtheber seien ihm seine Arbeitsbedingungen in einem schlecht belüfteten Handwerksbetrieb und auch die langen Arbeitszeiten nicht zuträglich. Wesentliche Trainingsfortschritte würde ihm dagegen eine Stelle ermöglichen, die „körperliche Schonung bei geistiger Tätigkeit“ erlaube. Bei der Suche hiernach erbat er Krafts Unterstützung und versicherte ihm, intelligent genug zu sein, „um auch eine andere Stellung zu begleiten (Unterstreichung im Brief, vermutlich von Kraft)“. Kraft war in diesem Fall nicht willens zu helfen, sondern beschied dem Bittsteller, formal korrekt nicht unter dem Briefkopf des Ministeriums, sondern dem des „Beauftragten des Reichssportführers“,  in dürren Worten, dass er sich in den „Geschäftsbereich des Arbeitsamts“, das für die Arbeitsvermittlung ausschließlich zuständig sei, „nicht einmischen“ dürfe.

 

 

 

Quelle:

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Friedrich Müller-Trefzer: Ein „Kollaborateur der ersten Stunde“ im badischen Staatsministerium 1933

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GLA 65 Nr. 11746

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Die vorliegende Quelle bietet einen rückblickenden Bericht eines hohen badischen Ministerialbeamten über dessen Einschätzung der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ und den eigenen Beitritt zur NSDAP. Dieses „Ego-Dokument“ ist nicht zuletzt deshalb aufschlussreich, weil es zahlreiche Aspekte berührt, mit denen sich das Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte der baden-württembergischen Landesministerien beschäftigt.

In diesem Projekt wird es nicht zuletzt darauf ankommen zu analysieren, ob und inwieweit die von späteren Beteiligten als „Zeitzeugen“ getroffenen Aussagen zutreffen oder ob sie eher in den Bereich der Legenden gehören. Über den Einzelfall hinausgehende vorschnelle Beurteilungen vorzunehmen ist jedoch bislang eine fragwürdige Vorgehensweise: in vielfacher Hinsicht sind die verwaltungstechnischen Vorgänge für Baden – und Ähnliches gilt für Württemberg – noch eine „terra incognita“. Erst zum Abschluss des Projekts werden valide Erkenntnisse vorliegen, die abschließende und auf dem Quellenstudium basierende generelle Aussagen möglich machen.

Das gilt auch für die an dieser Stelle erstmals publizierte Quelle zu dem Ministerialdirektor im badischen Innenministerium Friedrich Müller-Trefzer, über den die Forschung im Wesentlichen durch eine Biographie aus der Feder von Michael Ruck informiert ist.

Der 1879 geborene Müller-Trefzer war ein Jurist, der aus einer angesehenen Familie des badischen protestantischen Bürgertums stammte. Nach seinem Studium in Heidelberg und Freiburg trat er schon vor dem Ersten Weltkrieg in die badische Verwaltung ein und machte über mehrere Jahrzehnte und die Zäsur des Ersten Weltkrieges hinweg in verschiedenen Verwaltungsfunktionen eine Karriere, die wahrscheinlich ohne den Aufstieg des Nationalsozialismus weitgehend unauffällig geblieben wäre. Politisch war er der rechtsliberalen DVP verbunden, der er 1920 beitrat. Seit 1926 Oberregierungsrat im badischen Staatsministerium, wurde er am 11. März 1933 im Alter von 53 Jahren kommissarischer Leiter der Ministerialabteilung des badischen Staatsministeriums und wenige Wochen später, am 18. April 1933, Ministerialrat und Leiter der Badischen Staatskanzlei – ein erstaunlicher Karrieresprung im Laufe weniger Wochen. Noch kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er kommissarischer, wenige Monate später planmäßiger Ministerialdirektor im badischen Innenministerium. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges trat er in den Ruhestand, wurde kurz darauf von der französischen Militärregierung dienstenthoben.

In der Forschung herrschte weitgehend Einigkeit, dass Müller-Trefzer, der 1960 starb, ein Konjunkturritter war, der die „Machtergreifung“ nutzte, um der bis dahin wenig beeindruckenden Laufbahn zusätzlichen Glanz zu verleihen. Der „Kollaborateur der ersten Stunde“ (Michael Ruck) hatte der Republik von Weimar bis dahin als Staatsdiener zugleich loyal wie wenig innerlich überzeugt gegenübergestanden und hatte in der Staatskanzlei im katholischen Ministerialrat Dr. Karl Frech einen formidablen Gegner, der wenig Interesse an der Förderung des konturlosen Beamten hatte.

Müller-Trefzer nutzte nur wenige Tage nach der verhängnisvollen Reichstagswahl vom 5. März 1933 die Gunst der Stunde, kündigte die lustlose Verbundenheit mit den sich ohnehin in Agonie befindlichen Rechtsliberalen auf und diente sich als frischgebackenes Mitglied der NSDAP den „braunen Revolutionären“ an. Während der katholische Demokrat Frech suspendiert wurde, wurde Müller-Trefzer vom gerade ins Amt gekommenen Gauleiter und Reichskommissar Robert Wagner zum Chef der Ministerialabteilung in der Staatskanzlei gekürt.

Von alledem findet sich in den aus den Jahren 1952/53 stammenden Nachkriegsmemoiren so gut wie nichts: In seiner eigenen Darstellung der Vorgänge des Jahres 1933 wirft Müller-Trefzer mehrfach Nebelkerzen, die seine eigene Rolle im Jahr 1933 relativieren und beschönigen. Hierzu zählt nicht nur die häufig gewählte „Wir“-Form, die suggerieren soll, es habe im Kreis der Beamten im Banne des ministeriellen Korpsgeists Einigkeit über das geplante Verhalten gegenüber den Nationalsozialisten bestanden; hierzu zählt auch der im larmoyanten Stil vorgetragene Versuch, sich als Verteidiger der religiösen Freiheiten zu stilisieren (seit 1933 bezeichnete sich Müller-Trefzer als „Deutscher Christ“). Bezeichnend ist auch der in der Quelle angedeutete und später immer wieder verbreitete Mythos, man habe nur mitgemacht, um Schlimmeres zu verhindern. Sein Parteibeitritt wird von Müller-Trefzer zu einem Akt der Weitsicht geadelt: Man sei, „geschult an den Erfahrungen von 1918“, im Ministerium zu dem Schluss gekommen, die notwendige Hilfe gegen Parteiangriffe nur dann auf Dauer erfüllen zu können, wenn der „Mangel“ der Parteizugehörigkeit in guter Richtung paralysiert werden könnte.“ Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass Müller-Trefzer die Schutzbehauptung, er habe nur im Dienste des „Staats- und Volksganzen“ gehandelt, an seinem Lebensende wirklich selbst geglaubt hat. In seiner 250 Seiten umfassenden Rechtfertigungsschrift aus den Jahren 1952/53 geht er aber noch weiter: Müller-Trefzer zeichnete sich als Mann der Tradition, der, ausgestattet mit der langjährigen Expertise eines erfahrenen Verwaltungsbeamten, die neuen Machthaber geradezu gebändigt habe. Diese Interpretation ist, nach allem was wir wissen, falsch. Müller-Trefzer geriet später lediglich in die geradezu typischen Machtrangeleien mit anderen Behörden und besonders mit dem machtbewussten Gauleiter Wagner. Nach 1945 deutete er diese Konkurrenzkämpfe als „Widerstand“ gegen das NS-Regime, wovon jedoch keine Rede sein kann: Müller-Trefzer blieb bis zum Untergang des „Dritten Reiches“ ein treuer Diener des NS-Staates. Bietet er damit aber ein Muster oder gar ein klassisches Beispiel für eine verallgemeinerungsfähige Bereitschaft der Beamten, in einer Mischung aus Konformismus und Opportunismus, vielleicht auch aus Sorge um die eigene Existenz, der neuen „Staatspartei“ zu dienen? Um eine vergleichende Einordnung zu ermöglichen, ist es notwendig zu wissen, wie andere Beamte in der badischen Staatskanzlei, im badischen Innenministerium, im badischen Ministerialdienst – und in den württembergischen Ministerien – gedacht und gehandelt haben. Zum Abschluss des Projekts lässt sich die Frage zweifellos besser beantworten, als es heute möglich ist.

Literaturempfehlungen:

Johnpeter H. Grill, The Nazi Movement in Baden, 1920-1945, Chapel Hill, N.C. 1983.

Michael Ruck, Administrative Eliten in Demokratie und Diktatur. Beamtenkarrieren in Baden und Württemberg von den zwanziger Jahren bis in die Nachkriegszeit, in: Cornelia Rauh-Kühne/Michael Ruck (Hrsg.), Regionale Eliten zwischen Diktatur und Demokratie. Baden und Württemberg 1930 bis 1952, München 1993.

Michael Ruck, Korpsgeist und Staatsbewußtsein. Beamte im deutschen Südwesten 1928 bis 1972, München 1996.

 

Quelle:

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Propaganda in bewegten Bildern: „Der Staatsakt vom 8. Mai 1933″

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Als Robert Wagner am 5. Mai 1933 vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichsstatthalter von Baden ernannt wurde, trat er neben seinem bisherigen Parteiamt als Gauleiter auch ein staatliches Amt an. Die Einsetzung, die es ihm ermöglichte, die Landesregierung zu ernennen und Landesgesetze zu erlassen, wurde drei Tage später, am 8. Mai 1933, mit einem Staatsakt in Karlsruhe gefeiert, der, wie das Hauptorgan der NSDAP in Baden „Der Führer“ es formulierte, die „Krönung des nationalsozialistischen Kampfes“ darstellen sollte.

Um 11 Uhr begann vor dem badischen Innenministerium am Schloßplatz der Aufmarsch von Polizei und SS, die Robert Wagner auf dem Weg zu seinem Wagen Spalier standen. Die Fahrt zur Staatskanzlei in der Ritterstraße wurde, wie „Der Führer“ berichtete, „unter nicht endenwollenden Heilrufen“ der „gewaltigen Schar der Zuschauer“ vollzogen. Dort betrat Wagner zusammen mit der badischen Landesregierung den Balkon und hielt eine Rede an das versammelte Publikum. Dieser öffentliche Teil des Staatsaktes wurde mit dem Singen des Deutschlandliedes sowie des Horst-Wessel-Liedes beendet. Im Anschluss fand im Großen Saal der Staatskanzlei ein Empfang für ranghohe Vertreter der NSDAP, der Reichs- und Landesbehörden, der Kirchen sowie zahlreicher Verbände und Institutionen statt.

Die nationalsozialistische Propaganda in Baden räumte dem Staatsakt großen Raum ein. Bereits am 6. Mai hatte „Der Führer“ seine gesamte Titelseite einem Porträt Robert Wagners gewidmet, versehen mit der Aufforderung „Fahnen heraus!“. Am 9. Mai berichtete er über die Amtsübernahme und druckte die Reden des Reichsstatthalters Wagner sowie des Ministerpräsidenten Walter Köhler in voller Länge ab. Der Staatsakt wurde als Triumphzug geschildert, dem sich das gesamte Volk mit nur wenigen Ausnahmen anschloss: „Bis auf einige wenige Vertreter der Zentrumspartei, die es nicht fertigbringen, die Hand zu erheben und die deutschen Nationalhymnen mitzusingen. Wir danken an dieser Stelle unseren Parteigenossen, daß sie trotz größter Erregung über dieses Verhalten in gewohnter Disziplin die Weihe des Augenblicks achteten.“

Auch der an dieser Stelle gezeigte Film zeugt von dieser Ausrichtung der Propaganda: Er zeigt die Fahrt Wagners vom Innenministerium zur Staatskanzlei, vorbei an Menschenmassen und Spalier stehenden Polizisten und SS-Männern, seine Ansprache und den anschließenden Festzug durch Karlsruhe. Dieser Zug war, wie der gesamte Staatsakt, militärisch geprägt und präsentierte Uniformen badischer und deutscher Soldaten von den napoleonischen Kriegen bis zum Ersten Weltkrieg. Damit zeigte der Staatsakt deutliche Parallelen zum „Tag von Potsdam“, dem von Joseph Goebbels inszenierten Zusammentreffen Adolf Hitlers mit Reichspräsident von Hindenburg am 21. März anlässlich des ersten Zusammentretens des neugewählten Reichstages.

 

Quellen:

Stadtarchiv Karlsruhe 9/IV 205.
Der Führer, 9. Mai 1933.

Die Trauerfeierlichkeiten für den badischen Kultusminister Otto Wacker 1940

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Scanned ImageDer politische Stellenwert der Landesministerien in Baden und in Württemberg spiegelt sich auch in ihren repräsentativen Handlungen wider, die zu untersuchen eines der Anliegen des Forschungsprojekts ist. Hierbei sind verschiedene Aspekte von Interesse, etwa die Frage, inwiefern sich die Landesministerien in bewusstem Bruch mit der Symbolpolitik der demokratischen Vorgängerregierungen um die Etablierung eigenständiger Repräsentationsformen bemühten, die Identitätszuschreibungen der Akteure, die als Staats- beziehungsweise als Parteimänner auftreten konnten, oder auch die Rangordnungen, in denen die Stellung der Landesminister zu den Vertretern von Reich und Partei ablesbar wird. Exemplarisch lassen sich diese Aspekte anhand der Trauerfeierlichkeiten für den badischen Kultusminister Otto Wacker aufzeigen, der am 14. Februar 1940 in Karlsruhe an den Folgen einer schweren Herzerkrankung starb, die er sich im Vorjahr zugezogen hatte.

Wie schwierig es sein konnte, die Handlungen von Ministerialbürokratie, Reichsstatthalterei und Partei auseinanderzuhalten, zeigt sich beim Blick auf die Zuständigkeit für die Organisation der Trauerfeierlichkeiten, für deren ersten, in Karlsruhe stattfindenden Teil der Leiter der badischen Staatskanzlei, Dr. Hermann Theobald, mitverantwortlich war. In der Einleitung einer Aktenaufzeichnung hierüber, die er am 17. Februar anfertigte, schildert er zunächst seine eigene Stellung: Er sei zum Zeitpunkt von Wackers Tod „zur Reichsstatthalterei zur Dienstaushilfe“ abgeordnet, aber „von dort aus zum Teil auch für die Staatskanzlei tätig gewesen“. In der Sache selbst habe er im Auftrag des Reichsstatthalters und „zugleich auch im Namen des Herrn Ministerpräsidenten“ telefonisch die Präsidialkanzlei des „Führers“ über den Todesfall unterrichtet und die Anordnung eines Staatsbegräbnisses angeregt. Als aus Berlin die Antwort kam, dass ein „Staatsbegräbnis von reichswegen“ nicht in Frage käme, gegen ein „Staatsbegräbnis auf Landeskosten“ aber keine Einwände bestünden, beauftragte Reichsstatthalter Robert Wagner den leitenden Beamten des badischen Kultusministeriums, Ministerialdirektor Karl Gärtner, mit der Durchführung einer Trauerfeier der Landesregierung im früheren Sitzungssaal des Karlsruher Ständehauses – eine bemerkenswerte Wahl, da der seit fast sieben Jahren nicht mehr zu seinem ursprünglichen Zweck genutzte Veranstaltungsort sehr unterschiedliche Reminiszenzen an die 1933 unterbrochenen parlamentarischen Traditionen des Landes hervorzurufen vermochte.

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Otto Wacker, Büste von Prof. Otto Schließler, Karlsruhe, in: Straßburger Monatshefte. Zeitschrift für das deutsche Volkstum am Oberrhein 6 1942 (2), S. 77

Auch wenn die Grundsatzentscheidungen über die Organisation beim Reichsstatthalter lagen, so hielt sich Wagner doch bei der Karlsruher Trauerfeier am 16. Februar im Hintergrund. Er führte die Witwe Wackers gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Walter Köhler in den Landtagssaal, überließ dann aber jenem die Bühne. Neben Köhler traten als weitere Trauerredner Ministerialdirektor Gärtner für das badische Kultusministerium und als Beauftragter des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Paul Schmitthenner auf – offenkundig in seiner Eigenschaft als Rektor der Universität Heidelberg und nicht als Staatsminister im badischen Staatsministerium. Die Parteiformationen – Offiziere der SS-Verfügungstruppe hielten die Ehrenwache am Sarg – waren selbstverständlich auch präsent, aber dennoch wurde die Karlsruher Trauerfeier als ein Staatsakt inszeniert, was sich auch in der musikalischen Umrahmung (Stücke von Bach und Beethoven) ausdrückte.

Ein ganz anderes Bild bot sich beim zweiten Teil der Trauerfeierlichkeiten, der Beisetzung Wackers am 17. Februar in Offenburg, die in Regie der dortigen Kreisleitung der NSDAP „im Auftrag und im Benehmen mit dem Herrn Reichsstatthalter“ durchgeführt wurde. Hier fungierte Wagner als einziger Redner und nutzte die Gelegenheit, vor allem die Verdienste Wackers für die Partei, namentlich sein Wirken als Hauptschriftleiter des Parteiblatts „Der Führer“ von 1928 bis 1933, zu würdigen. Die Kranzniederlegungen der „führenden Männer von Partei, Staat und Wehrmacht“ erfolgten „unter den Klängen des SS-Treueliedes“, und zum Abschluss der Trauerfeier präsentierte die Ehrenkompanie der Waffen-SS das Gewehr, „während der Musikzug die Weisen des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes spielte“ (Der Führer, 18.2.1940).

Dr. Otto Wacker, Porträt des Karlsruher Malers Oskar Hagemann, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Inv.Lg0251

So deutlich wie beim Ablauf der Veranstaltungen in Karlsruhe und in Offenburg war die Trennung zwischen Staats- und Parteibelangen bei der finanziellen Abwickelung der Trauerfeierlichkeiten nicht. Vielmehr ging diese – das legen zumindest die bisher eingesehenen Quellen nahe – ganz auf die Staatskasse, denn mit Staatsministerialentschließung vom 15. März 1940 wurden die Kosten des Ehrenbegräbnisses „auf die dem Herrn Ministerpräsidenten für besondere Fälle zur Verfügung stehenden Haushaltmittel übernommen“. Gleiches galt auch für das Gros der Kosten einer Bildnisbüste, mit deren Anfertigung „auf Veranlassung des Herrn Reichsstatthalters“ das Kultusministerium Otto Schließler von der Karlsruher Hochschule der bildenden Künste beauftragt hatte. Die Ausführung der Büste in Stein, die für die Repräsentationszwecke des Kultusministeriums vorgesehen war, sowie zwei Bronzeabgüsse für die Witwe Wackers und die Stadt Offenburg wurden vom Staatsministerium bezahlt, während die badische Gauleitung der NSDAP den ihr zugedachten dritten Bronzeabguss selbst finanzierte.

Der Verbleib der 1940 von Otto Schließler gefertigten Bildnisbüsten Wackers muss momentan als ungeklärt gelten. Anders verhält es sich mit einem anderen Kunstwerk, das offenkundig ebenfalls in Zusammenhang mit den Trauerfeierlichkeiten entstanden und in den Beständen der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe überliefert ist: ein Ölporträt des verstorbenen Kultusministers Wacker aus der Hand des Karlsruher Malers Oskar Hagemann, der im Übrigen schon vor der nationalsozialistischen Machtübernahme gelegentlich als politischer Auftragskünstler tätig gewesen war und sowohl den ersten (den Sozialdemokraten Anton Geiß) als auch den letzten demokratischen Staatspräsidenten Badens (den Zentrumspolitiker Josef Schmitt) porträtiert hatte.

 

Quelle:

GLA Karlsruhe 233 Nr. 23854

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